Amateur (#) von Hal Hartley. USA, 1993. Isabelle Huppert, Martin Donovan, Elina Löwensohn, Damian Young, Chuck Montgomery
Thomas liegt unten auf der Straße, rausgeflogen aus dem Fenster, und weiß nicht mehr, wer er ist. Isabelle findet ihn, eine Ex-Nonne, nun Autorin romantischer Pornos und auf der Suche nach ihrer Bestimmung. Sofia weiß genau, wer Thomas ist, ein Schwein, der sie süchtig machte und zu Pornofilmen zwang, ein mieser Geschäftemacher. Sie will jetzt absahnen, hat aber bald Killer auf den Fersen, genau wie Edward, der Geschäftskollege von Thomas, der sich von Sofia becircen lässt. Thomas, Isabelle und Sofia kommen zusammen und flüchten vor den Killern. Showdown im Kloster: Thomas wird irrtümlich erschossen, an Edwards statt, der mittlerweile nach einer Folterung ziemlich abgedreht ist und zum Polizistenmörder wurde.
Ich hatte vorab genügend Gründe, diesen Film mit reichlich Vorbehalten anzuschauen. Mein Konsumkollege hatte mir glaubhaft versichert, von pausenlos im Bild rumschwebenden Richtmikros genervt worden zu sein, und deine vernichtende Kritik in der Zeitung war auch nicht gerade dazu angetan gewesen, meine Vorfreude zu intensivieren. Nun, dank einer kleineren Leinwand sind mir die Mikros erspart geblieben, und dem Herren von unserem Lokalblättchen kann man nur empfehlen, demnächst genauer hinzusehen und sich vielleicht auch mal Gedanken darüber zu machen, ob ein Regisseur seine Geschichte denn wirklich so ernst meint. Und nur wenn man dies tatsächlich glaubt, kann man dem Film Stümperei und unfreiwillige Komik attestieren, sonst aber, wenn man Hartleys andere Filme kennt und die vielen ironischen kleinen Details auch als solche annimmt, wird man seinen Spaß haben. Hartley ist sich treu geblieben, obwohl er aus der Provinz nach New York gegangen ist und obwohl er mit Madame Huppert einen großen internationalen Star unter seine Stammschauspieler gemischt hat. Sein lakonischer, trockener Ton ist jedoch immer noch da, und auch seien oft etwas irritierenden Weise, die Genres munter zu mixen. Mal Kriminalfilm, mal ein Großstadtmelodram mit viel Schicksal und mal fast eine Slapstickkomödie, alles liegt sehr dicht beieinander, wurde zugegebenerweise schon mal überzeugender vorgestellt, ist aber auch dieses Mal noch gut für nette Unterhaltung. Die skurrilen Lebenswege der Menschen kreuzen sich auf sorgsam präparierte Art – es geht hier um eine Kunstwelt, in der die Mechanik des Zufalls und der schicksalhaften Begegnung herrscht, aber Hartley kommt auch nie auf den Gedanken, dies alles als realistisch oder todernst darstellen zu wollen. Die Killer kommen mit ihren Handys nicht zurecht und müssen doch zur Telefonzelle greifen, Isabelle verkauft statt Pornos düster-poetische Prosa und bringt ihren Verleger gelinde zur Verzweiflung, und ein buchstäblich elektrisierter Edward inszeniert einen schrillen Amoklauf, der es in sich hat. Schließlich gibt es dann noch die empathische Polizistin, die vor lauter Mitleid über die Sorgen ihrer Mitmenschen ganz den harten Bullen in sich vergessen hat. Mal geht es schwermütig und melancholisch zu, mal turbulent und ein bisschen brutal, aber auch die Gewalt wird durch teilweise haarsträubende Übertreibung zumeist eher parodiert und ihrer Absurdität entkleidet. Isabelle Huppert mit ihrer Begabung für maskenhaft-tiefgründige Darstellungen passt außerdem ganz gut in diese Welt hinein, sie kann sowohl traurig als auch komisch sein, und alles mit fast dem gleichen Gesichtsausdruck. Wie alle Figuren bei Hartley ist auch ihre Isabelle stets bemüht, ihr Leben in den Griff zu kriegen, es irgendwie zu meistern, ihm einen Sinn zu geben. Dass ihr dies in den meisten Fällen nicht gelingt, dass sie immer am Rande der Entgeisterung entlang rutscht, hat sie mit den anderen gemeinsam, und genau das macht die Stimmung von Hartleys Filmen aus. Liebenswürdige Außenseiter und Verlierer, traurige Clowns manchmal, in einer Welt, der sie ihre Gesetze nicht aufdrücken können, die sie aber ein klein wenig skurriler und verrückter machen können. Der Film ist kein Meisterwerk, jedenfalls für mich nicht, weil ich eben nicht unbedingt immer auf derartige Konstrukte stehe, aber wenn man Hartleys Stil und seine komischen Geschichten im Prinzip mag, was ich tue, wird man sich wohl auch hier gut und gern wieder zurechtfinden. (15.1.)