Bandit Queen (#) von Shekar Kapur. Indien/England, 1994. Seema Biswas, Sunita Bhatt, Ram Charan Nirmalker, Ranjit Chaudry, Nirmal Pandey

   Die Geschichte der Phoolan Devi zwischen 1968 und 1983 ist keine Geschichte aus dem Mittelalter oder der frühen Neuzeit, wie man vielleicht glauben könnte, und auch wenn man vielleicht annehmen darf, dass zumindest in einigen Teilen der Mythos die Realität überholt hat und einige Ausschmückungen mit Vorsicht zu genießen wären, bleibt diese Geschichte extrem erschreckend. Als kleines Mädchen von elf oder zwölf von ihrem Vater an einen erwachsenen Mann verkauft, vor dessen brutaler Vergewaltigung geflohen, im Dorf als Freiwild gehandelt, auf Umwegen zu den Banditen gelangt, dort erneut bestialisch tagelang vergewaltigt, dann als Führerin einer neuen Bande zu einem blutigen Rachefeldzug ausgezogen und schließlich zermürbt und zur Kapitulation gezwungen, die sie allerdings nicht ohne Bedingungen zu stellen akzeptiert. Sie ist eine Volksheldin und wie der Nachspann informiert, mittlerweile auch wieder freigekommen, weil die Provinz Uttar Pradesh, dichtbesiedelt am Ganges gelegen, von einer anderen, einer niedrigeren Kaste regiert wird.

   Zwei Dinge machen Phoolan Devi von vornherein zum Opfer: Sie ist eine Frau und Angehöriger einer niederen Kaste. Als Frau ist sie gänzlichen den tradierten Geschlechterstrukturen ausgeliefert, und die schustern den Männern eine unbeschränkte Macht in jeder Hinsicht zu. Sie ist ein wirtschaftlicher Faktor – von der Familie als Zahlungsmittel benutzt und von ihrem Mann als Arbeitstier – und ein Sexualobjekt für die Männer, vorzugsweise aus höheren Kasten, die gewohnt sind, sich zu nehmen, was sie begehren und die auch keinerlei Probleme haben, eventuelle öffentliche Prozesse durchzustehen, denn man wird sich untereinander nicht das Wasser abgraben, sondern hübsch an einem Strang ziehen. Diese Gesellschaft ist einfach unglaublich brutal, archaisch, unmenschlich, beherrscht von religiösen Grundsätzen, die Frauen nicht viel mehr Recht als Tieren zugestehen. Die hier ausgeübte Gewalt ist schrecklich: Phoolan wird viehisch misshandelt, öffentlich gedemütigt und muss eine endlose Reihe von Vergewaltigungen über sich ergehen lassen, aber auch ihre Rache ist schlimm, denn sie trifft nicht die eigentlichen Täter, sondern es müssen zwanzig Männer sterben, weil sie einst Zeugen der Demütigung Phoolans waren. Angesichts dessen, was diese Frau durch Männer hat erdulden müssen, könnte man sagen, dass sich ihr Hass gegen das gesamte Geschlecht an sich richtet, und wie man das Massaker in dem bewussten Dorf vor diesem Hintergrund beurteilt, ist jedem selbst überlassen. Möglicherweise erscheint ihr Bedürfnis nach Vergeltung allzu verständlich, die Willkür der Tat ist jedoch gleichfalls verwerflich.

 

   Der Film ist, soweit ich was von der Sache verstehe, mit einigen deutlichen Anlehnungen an das indische Unterhaltungskino gemacht, etwas episch, etwas melodramatisch, etwas abenteuerlich inklusive einer Prise Banditenromantik am Lagerfeuer. Einiges kommt uns vielleicht ein bisschen dick aufgetragen vor, was zur Hälfte daran liegt, dass man indische Filme hierzulande so gut wie gar nicht sieht und dementsprechend an ihren Stil nicht gewöhnt ist, und zur Hälfte daran, dass uns die spezifischen Verhältnisse dieses Landes weitgehend unvertraut sind. In einem Dokumentarfilm über Phoolan, der es im Übrigen auch nicht schaffte, hinter den Mythos zu blicken, wurde Auskunft gegeben über das Banditenwesen in jenem Landstrich und über das Selbstverständnis dieser Leute, und all diese Informationen sprechen dagegen, dass der Film hier zum großen Teil nur wildromantischen Kitsch erzählt. Er ist sehr kraftvoll und emotional und weckt auch genug Emotionen, Fassungslosigkeit über die allseits herrschende Gewalt und auch sehr viel Wut über die wieder mal religiös fundierte Behandlung von Frauen allgemein und Phoolans im Besonderen. Obwohl sicherlich viele dramatische Elemente enthalten sind, vermittelt der Film dennoch genug interessante und sehr relevante Einsichten in die Gesellschaftsordnung dieses Landes, in die Machtverflechtung von Polizei, Militär, Regierung und den hohen Kasten. In der Hauptstadt macht man sich Gedanken, nicht allzu brutal, vorzugehen, denn die vielen Sympathisanten Phoolans sind potentielle Wähler. Vor Ort allerdings wird dann wieder alle Rücksicht fahren gelassen, Polizei und Militär schießen alles nieder, was zu ihrer Bande gehört, vorzugsweise vor den Augen der ganzen Familie. Ein fast unregierbares Land, das in der Vorstellung der Mächtigen nur mit absolut tyrannischer Gewalt kontrolliert werden kann. Auch Phoolans Kapitulationsbedingungen sind vielsagend: Kostenlose Bildung für alle und freier Waffenbesitz zur Verteidigung des eigenen Hauses. Die vielen Menschen der unteren Kasten sind den Banditen hilflos ausgeliefert und können ihre Kinder nicht unterrichten lassen, weil ihnen das Geld fehlt. All dies erfährt man auch in diesem Film, der spannend und mitreißend erzählt, aber auch daneben noch so einiges zu sagen hast, das nicht so gut in das noch immer verbreitete romantische Indienimage passen wird. Und wie viele Filme über einen Mythos strickt auch dieser wieder eine kleine Reihe dazu. (21.5.)