Before the rain (#) von Milcho Manchevski. Mazedonien/England/Frankreich, 1994. Rade Serbedzija, Grégoire Colin, Labina Mitevska, Katrin Cartlidge

   Drei Geschichten über einen beginnenden Bürgerkrieg in Mazedonien. Worte: Ein junger Mönch versteckt ein albanisches Mädchen im Kloster vor ihren christlichen Verfolgern. Als die übrigen Mönche das Moslemmädchen entdecken, muss der Mönch gehen. Die beiden werden von der Familie des Mädchens aufgegriffen, und nach einem hitzigen Wortgefecht wird sie von ihren eigenen Leuten erschossen. Bilder: In London studiert eine englische Fotografin ihre neuesten Errungenschaften vom Krieg auf dem Balkan. Sie ist befreundet mit Aleksandar, einem Mazedonier und preisgekrönten Fotografen, der nicht weiß, wie er sich zum Konflikt in seiner Heimat stellen soll, umso mehr, als er sich schuldig am Tod eines Gefangenen fühlt, den ein Soldat nur für einen Schnappschuss umgebracht hat. Aleksandar versucht, Anne zum Mitkommen nach Mazedonien zu bewegen, doch sie hat ein Gespräch mit ihrem entfremdeten Mann. Im Restaurant, in dem sie sich treffen, richtet ein offensichtlich aus Jugoslawien stammender Fanatiker ein Blutbad an, dem auch Annes Mann zum Opfer fällt. Bilder: Zurück in Mazedonien findet Aleksandar die alte Ordnung zerstört: Albaner und Mazedonier sind in tödlichem Hass entzweit, Freunde getrennt, Liebende auseinandergerissen. Er sucht nach einer Jugendliebe, Hana, eine Albanerin, die nun von ihrer Familie versteckt wird. Es ist auch die Familie des jungen Mädchens aus der ersten Geschichte, das hier noch lebt. Aleksandar will die aufgebauten Mauern nicht akzeptieren, sich über neue Tabus hinwegsetzen, und er stirbt daran. Die eigenen Leute warnen ihn zunächst, sich nicht einzumischen, dann schießen sie auf ihn, als er mit dem jungen Mädchen fortgehen will. Sie flieht zu dem Mönch ins Kloster. Wie es weitergeht, hat man in der ersten Geschichte erfahren.

 

   Ein tödlicher Kreislauf also und sicherlich eine universale Botschaft vom Krieg, der all das zunichtemacht, was durch die Jahrhunderte zwischen den Menschen, den verschiedenen Völkern und Religionen aufgebaut wurde. Plötzlich hasst man den anderen, weil er kein Christ und kein Moslem und kein Albaner und kein Mazedonier ist. Das ist überall so, nicht nur dort, und das will uns der Regisseur auch klarmachen. Keine neue Botschaft, dafür aber vermittelt mit besonders viel Emphase. Mich hat der Film ehrlich gesagt nicht besonders beeindruckt, weil ich gerade den optischen Gefühlsaufwand als ziemlich konventionell und manchmal auch störend empfunden habe. Man sieht herrliche Tableaus vom Meer, von felsiger, rauer Landschaft, von den Elementen, vom Himmel und den einfach lebenden Menschen. Eine fast paradiesische Urlandschaft, nur was soll das bedeuten? Will man uns damit sagen, dass ein Krieg in solch unberührter Gegend besonders schmerzhaft ist? Sollen wir umgekehrt daraus schließen, dass ein Krieg in hässlicher Umgebung auch nicht so schlimm sein kann? Was bedeutet diese ewige Anrufung der Natur, der Sterne, des Mondes, des Windes, des Regens? Der Krieg wird von Menschen allein gemacht, und nur sie sollten zählen in einer solchen Erzählung und nicht irgendeine verquaste, vage Naturmystik. Schwerwiegender noch als das ist der riesige dramaturgische Durchhänger, den die ungeschickt eingeschobene mittlere Episode darstellt. Plötzlich wird man aus der Geschichte, aus dem Konflikt, in den man sich gerade mühsam hineingedacht hat, herausgerissen und mit Menschen und ihren Sorgen konfrontiert, die zumindest mich nicht die Bohne interessiert haben, nicht Annas Verhältnis zu Aleksandar, nicht das zu ihrer Mutter und schon gar nicht das zu ihrem Mann. All dies hätte, wenn überhaupt, bestenfalls Stoff für einen ganz anderen Film abgegeben und ist in dieser unbefriedigenden weil unausgearbeiteten Form leider die Verschwendung einer sehr guten Schauspielerin, nämlich Katrin Cartlidges, die zuletzt in Mike Leighs „Naked“ so beeindruckte. Das Massaker im Restaurant soll uns vermutlich sagen, dass man sich an keinem Ort dieser Welt wirklich sicher fühlen kann, dass der Krieg überall ist, man sich nirgendwo entziehen kann, gleichgültig sein darf. Na gut, aber in diesem Fall hätte ich gern darauf verzichtet. Die dritte Episode, die beste für meinen Geschmack, rollt dann die ganze Geschichte etwas ausführlicher auf und erreicht wieder die atmosphärische Intensität der ersten, auch wenn ich für die eigenwillige chronologische Anordnung keine rechte Erklärung gefunden habe, außer eben vielleicht diese Andeutung eines tödlichen Kreislaufs des Hasses und der Gewalt. Immerhin ist Aleksandar (von Rade Serbedzija sehr gut gespielt) eine interessante Figur, ein moderner, eher international lebender und denkender Mensch, der zurück in eine seltsam archaische und für ihn dennoch heimische Welt kommt, belastet mit Annes Forderung, endlich Partei zu ergreifen. Der Film führt die fatale Sinnlosigkeit dieses Unterfangens vor Augen, er bietet entsprechend keine Erklärungen und Lösungen an, sondern appelliert ausschließlich an die Gefühle und gegen diese unheimliche, zerstörerische Gewalt im allgemeinen. Angesichts so vieler Filme dieser Art hatte ich dieses Mal aber ein wenig mehr erhofft. (9.10.)