La fille d’Artagnan (D’Artagnans Tochter) von Bertrand Tavernier. Frankreich, 1994. Sophie Marceau, Philippe Noiret, Nils Tavernier, Sami Frey, Raoul Billerey, Jean-Luc Bideau, Claude Rich, Charlotte Kady, Luigi Proietti, Jean-Paul Roussillon
Es gibt also doch noch Regisseure, auf die man sich im positiven Sinne verlassen kann. Von Taverniers neuem Film hatte ich mir vergnügliche, schwungvolle, ironische und auch melancholische Unterhaltung mit schönen Bildern, schöner Musik und viel Temperament versprochen, und genau dies habe ich auch erhalten. Die stark gealterten Musketiere, verstärkt durch die kapriziöse und höchst eigensinnige Tochter des Gascogners, müssen nach reichlich zwanzig Jahren nochmal zu Pferd und Degen greifen, um eine recht komplexe Verschwörung aufzudecken, in der es unter anderem um Sklavenhandel, ein in Frankreich neu aufzubauendes Kaffeemonopol, aber auch um die geplante Ermordung des frisch zu krönenden Louis XIV. geht. Eloise d’Artagnan muss schon allerlei Tricks und Überredungskünste aufwenden, um die gemächlichen alten Herren aus Wirtshäusern, Klöstern und anderen Rückzugsstätten hervorzulocken, und erst die väterliche Sorge um das leibliche Wohlergehen der schönen Tochter bringt etwas Bewegung in die alte Garde, die dann vor Ort aber beweist, dass sie im Umgang mit diversen spitzen Utensilien absolut nichts verlernt hat. Am Schluss darf der König zu Reims gekrönt werden, Eloise kriegt ihren jungen Dichter, und Vater und Tochter werden wohl noch so manche Zankerei miteinander ausfechten müssen, wobei zu befürchten steht, dass sich ihre Dickköpfigkeit im Zweifelsfalle durchsetzen wird.
Tavernier bietet alles, was das Herz begehrt. Erlesene Tableaus aus dem Frankreich des mittleren 17. Jahrhunderts, Philippe Sardes ausgesucht schöne, zeitgenössischen Klängen nachempfundene Musik, jede Menge toll inszenierte Fechtkämpfe vor allerlei fotogenen Kulissen und bei alledem eine sehr entspannte, vergnügte Stimmung, die alles nicht so ernst nimmt, aber auch niemals angestrengt auf Parodie oder Entmythologisierung getrimmt ist. Tavernier ist im Grunde ein zu abgeklärter, zu kühler und zu distanzierter Filmemacher, um sich mit Eifer und Hitze auf ein Genre zu stürzen zum zwecke gründlicher Entlarvung. Natürlich baut er immer wieder liebevoll-ironische Szenen ein, spielt regelmäßig auf das gehobene Alter der Helden und die sich daraus ergebenden körperlichen und psychischen Konstellationen an, lässt er d’Artagnan von der guten alten Zeit reden, als die Dinge, die Trennlinien zwischen gut und Böse noch klar erkennbar und übersichtlich waren, aber niemals drängt er uns eine Botschaft auf, verfällt er in wehmütigen Kitsch oder übertriebene Euphorie, wie dies etwa Hollywood tun würde. Spaß mit Niveau ist angesagt, augenzwinkernde Darsteller, die mit sichtbarer Begeisterung bei der Sache waren, und schließlich die Erkenntnis, dass man sich ab und zu so einen richtig schönen klassischen Genrefilm mit den notwendigen modernen Untertönen mit größtem Lustgewinn ansehen kann, vor allem dann, wenn man wie in diesem Fall nicht das Gefühl hat, nur einer billigen, lieblosen und unoriginellen Wiederaufbereitung beizuwohnen. Tavernier jedenfalls ist immer mal wieder für eine schöne Überraschung gut, und wer weiß, was für Filme von ihm noch so kommen werden. (7.8.)