Ed Wood (#) von Tim Burton. USA, 1994. Johnny Depp, Martin Landau, Patricia Arquette, Sarah Jessica Parker, Bill Murray
Ed Wood war ein wahrer Freak, ein Meister des Trash, wie ihn nur das wahre Leben erfinden konnte, damals in den glorreichen 50ern, da die Trashfilme noch so richtig mies und billig waren, auf eine verschrobene, skurril-liebenswürdige Weise. Dass ausgerechnet Tim Burton ihm nun filmisch den Tribut des Mainstream zollt, ist ganz passend, zumal Burton selbst bekanntermaßen eine Schwäche für das Absonderliche, Verschrobene und auch Abstrus-Märchenhafte hat. Ein Sonderling sicherlich auch, aber einer auf einem ganz anderen künstlerischen und finanziellen Niveau als Meister Wood. Dass dieser Film dennoch niemals herablassend oder höhnisch wirkt, ist seine große Stärke, macht seinen ganzen enormen Charme aus. Burton ist dabei zugegebenermaßen recht gnädig mit Wood umgegangen, hat sich die „Hochzeit“ zwischen 1952 und 1959 herausgesucht und den jahrzehntelangen, sicherlich höchst schäbigen Niedergang bis zu seinem Tod 1978 wohlwollend weggelassen, bzw. im Abspann kurz umrissen. Und auch die reichlich merkwürdige Neigung des Meisters, Angorapullis, Damenwäsche, hochhackige Schuhe und Perücken zu tragen, wird nicht zum Anlass für Hohn und Spott, wird aber genauso wenig zu erklären oder zu interpretieren versucht. In Johnny Depps Darstellung zeigt sich Burtons Herangehensweise, zumindest an Woods eigene Person: Er bleibt im Grunde eine Karikatur, der man nicht zu dicht auf den Leib rückt, allzu Persönliches, Intimes oder eben Kompromittierendes wird vermieden. Ob dahinter Respekt vor der Person Woods steht, oder einfach die Scheu oder der Unwillen, sich dem Mann eingehender zu widmen, sei dahingestellt. In Depps Darstellung sehen wir Wood jedenfalls als einen großen Jungen, als nimmermüden Optimisten, als unerschütterlich an sich und die Sache glaubenden Filmenthusiasten, der sich höchstens mal missverstanden wähnte wie Orson Welles und der fast jedes Opfer zu bringen bereit war nur aus Liebe zum Medium. Er akzeptierte von Sponsoren aufoktroyierte Schauspieler und Drehbuchänderungen, ignorierte den Spott der Studiotechniker, die sich über den Verrückten mit dem Megaphon lustig machten, er kam über vernichtende Kritiken hinweg und schluckte auch private Rückschläge, zum Beispiel den Fortgang seiner ersten Freundin Dolores. Überall hielt er die Augen nach neuen Gesichtern auf, scheute sich niemals, Leute um Geld anzugehen, und hatte scheinbar gar kein Gespür für erniedrigende Situationen. Diese strahlende, kindlich-naive Zuversicht prägt den Film, seinen Tonfall, und lässt einen als Zuschauer irgendwie nicht unberührt. In Woods Freundschaft zu einem abgewrackten, alkohol- und drogenabhängigen Bela Lugosi zeigen sich auch die menschlichen Qualitäten dieses Mannes, der alles stehen und liegen ließ, wenn Lugosi ihn mitten in der Nacht um Hilfe bat, weil ihn das Formaldehyd mal wieder fertiggemacht hat. Ob Burton nun sehr viel beschönigt oder nicht, jedenfalls zeichnet sich sein Porträt durch soviel Feingefühl, liebevolle Sympathie und letztlich auch Respekt aus, dass man irgendwie gerührt und auch amüsiert zusieht, denn natürlich sind die Szenen von den Dreharbeiten schon unglaublich komisch. Wenn Lugosi mit dem bewegungslosen Oktopus im Schlammbad ringt oder brennende Styroporscheiben als fliegende Untertassen über einen Pappfriedhof sausen und letztklassige Chargen dazu grimassieren, dann weiß man erst, was echter Camp eigentlich ist. Hier klingt auch die Hommage an ein Hollywood durch, das es heute so wohl nicht mehr gibt, an die billigen Hinterhofstudios, die schäbigen Premieretheater und die enthusiastischen, aber leider auch komplett inkompetenten Filmemacher, die sich vorzugsweise an Horrorfilmen versuchten. Burton selbst ging es offenbar auch nicht um sonderlich viel Realismus, er stilisiert mit gekonnter Schwarzweißfotografie und schillernden Kulissen diese Kunstwelt, in der sich skurrile, verrückte Gestalten fast normal ausnehmen. Der Film ist ungemein beschwingt und unterhaltend und enthält einige sehr gute Darstellungen, vor allem natürlich von Landau als Bela Lugosi, aber auch ein ganz kurzer Auftritt von Vincent d’Onofrio als Orson Welles ist einfach verblüffend, eine tolle Kopie in einer Art Traumsequenz, in der Wood dem großen Idol in einer Kneipe Auge in Auge gegenübersteht und die beiden sich über die undankbaren Produzenten unterhalten, die wahre Kunst nicht zu schätzen wussten. Diese Ed Wood, wie er hier im Film präsentiert wird, ob nun authentisch oder nicht, ist so entwaffnend sympathisch in seiner Art, so gnadenlos von sich überzeugt und so herrlich blind für jegliche Realität, dass man ihn einfach mögen muss, und sicherlich hätte dieser Film, so wie er angelegt ist, ganz unangemessen traurige und deprimierende Töne erhalten, wenn Burton auch das elend lange Ende mit den billigen Sexfilmen und den vielen Umzügen von einem Rattenloch ins nächste auch noch gezeigt hätte. Man weiß um diese gnädige Konzession, aber genießt den Film vom Anfang bis zum Ende als den charmantesten und menschlich wärmsten seit ewigen Zeiten aus dieser kalten Traumfabrik. (22.7.)