Ed-Wood-Nacht:

Glen or Glenda USA, 1952. Bela Lugosi, Ed Wood, Dolores Fuller, Timothy Farrel

Bride of the monster USA, 1955. Bela Lugosi, Tor Johnson, Tony McCoy, Loretta King

 

Plan 9 from outer space USA, 1959. Gregory Walcott, Tom Keene, Dudley Manlove, Mona McKinnon, Tor Johnson, Vampira, Bela Lugosi

   Man muss schon ein bisschen weiter runtergehen im Alphabet, um eine passende Gradierung für diese Meisterwerke zu finden, denn B oder C oder auch noch D dürften da kaum noch ausreichen. Außerdem muss man diese Filme einfach gesehen haben, um sie wirklich zu glauben, denn wenn einem jemand erzählt, dies hier seien die schlechtesten Filme der Welt vom schlechtesten Regisseur der Welt (wobei beide Bezeichnungen eher auf Hollywood zutreffen dürften), dann kann man sich zunächst nicht sehr viel darunter vorstellen. Es ist schlecht, billig, trashig, okay, aber was heißt trashig in diesem Falle? Trashig heißt eben nicht, dass die Flying Saucers aus Styropor sind, dass die Grabsteine aus Pappe sind, dass die Studiobeleuchtung hundsmiserabel ist, dass in „Plan 9“ die Tageszeiten ständig durcheinander geraten, dass die Innendekoration bestenfalls spartanisch genannt werden sollte, und dass es ganz allgemein an allem fehlt, was normalerweise ein sorgfältige, gediegene Produktion ausmacht. Trashig heißt auch nicht, dass die Darsteller fast alle Laien sind und sich auch als solche gebärden, und dass es so gut wie keine existente Dramaturgie in all diesen Filmen gibt. Mit trashig würde ich am ehesten Ed Wood selber bezeichnen, seine Person, seine Präsentationen, sein Selbstverständnis als Regisseur. Denn im Gegensatz zu den allermeisten B- und C-Movies jener Jahre und jener Genres aus Hollywood sind diese Erzeugnisse mit echtem Herzblut und einem Anliegen entstanden. Der Mann hat alles, was er gefilmt hat, todernst gemeint, er hat seine Filme für Meisterwerke gehalten, er hat an all dieses tatsächlich bis zum Schluss geglaubt. Das ist Trash. Nur so entsteht jenes Pathos, das die Filme erst wirklich schlecht macht, jene hehre Botschaftsgläubigkeit, die unbedingt ein Teil von Ed Woods Naivität gewesen sein muss. Tim Burtons Porträt bezog aus diesem Charakterzug einen Großteil seines Charmes. Ed Woods Filme weisen wenig von diesem Charme auf, und auch nur dann, wenn man extrem tolerant solchen Auswüchsen gegenüber ist.

   „Glen or Glenda“ ist eine Transvestitengeschichte, an sich schon ein Kuriosum im prüden Hollywood der Fünfziger. Kurios ist allerdings auch die Machart dieses unglaublichen Films, den Wood offensichtlich mit allem Material angefüllt hat, das gerade zur Hand war, und so finden sich jähe, überfallartige Zwischenschnitte auf Blitz und Donner, ewige Autoschlangen, eine Büffelherde, eine lange Kampfszene aus dem Asienkrieg und eine Industrieszene aus einem metallverarbeitenden Betrieb. Der Meister erwischt uns jedesmal auf dem falschen Fuß damit, denn nie verstehen wir den Sinn dieser Sequenzen und auch nicht ihren Platz im Film. Zu allem Überfluss taucht auch noch Bela Lugosi als finsterer Prophet des Bösen auf, der immer wieder aufkreuzt, um mit wilder Mimik eine mysteriöse Botschaft auf uns abzuschießen. Ansonsten gibt es eine lange Phantasmagorie, in der Glen und Glenda, also die männlichen und die weiblichen Anteile dieses armen Menschen miteinander um die Vorherrschaft ringen, es gibt schier endlos lange und zäher Erklärungen eines Psychiaters und immer wieder Rückblenden, die das Ganze so übermäßig kompliziert machen, dass es nur noch langweiliger wird. Wood, selbst ein erklärter Transvestit, wollte offenbar für mehr Toleranz und Liberalität sexuellen Minderheiten gegenüber plädieren, doch ungewollt gerät ihm sein flammender Appell immer wieder zur Denunziation, zur schrillen Farce, die die Transvestiten vielmehr totaler Lächerlichkeit preisgibt. Woods fieberhafte, überhitzte und groteske Sentimentalität, seine handwerkliche Inkompetenz (und die seiner Mitstreiter) und seine gedankliche Verschwommenheit gehen eine glückliche Verbindung ein und geben uns ein vollendetes Beispiel für Schund auf allen Ebenen mit extra hohem Unterhaltungswert. Jedesmal, wenn Lugosi wieder seine schmierigen Ticks in die Kamera blökt, windet man sich unwillkürlich in Lachkrämpfen. Das ist auch Trash!

 

   „Bride of the monster“ und „Plan 9“ sind dagegen nicht so interessant, schlichte Horrorfilme, bei denen man ja eh etwas toleranter ist. Lugosis Auftritte in beiden Filmen sind allerdings denkwürdig. Im ersten grimassiert und chargiert er wild drauflos als osteuropäischer, einst aus der Heimat vertriebener Wissenschaftler, der natürlich mal wieder nach der Weltherrschaft greift und übermenschlich starke Zombies erschaffen will. Am Schluss liegt er im Schlamm auf einem komplett leblosen Gummikraken und tut so, als müsse er um sein Leben kämpfen. Kurz danach beendet eine atomare Explosion das wüste treiben. Warum, weiß natürlich keiner. „Plan 9“, allgemein als Krönung seines Schaffens angesehen, präsentiert uns Gestalten aus dem All, die Kontakt zur Erde suchen, dort aber missverstanden und bekämpft werden, worauf auch sie zu drastischen Methoden greifen müssen, um sich verständlich zu machen. Am Schluss aber geht ihr Pappteller in Flammen auf und die Mission hat sich erledigt. Lugosi nun war ja längst tot, als Wood dieses Machwerk verbrochen hat, er taucht nur in einigen kurzen, dafür aber umso häufiger wiederholten Sequenzen auf, um den Rest des Films von einem Double vertreten zu werden. Dieser Herr, der eher eine entfernte Ähnlichkeit mit Herrn Lugosi hat, hält sich, um die Zuschauer geschickt zu täuschen, die ganze Zeit sein schwarzes Cape vor das Gesicht, dass wir schon annehmen, er habe vielleicht Mundgeruch und wolle seine Opfer nur schonen. Trash in Reinkultur! „Plan 9“ macht am klarsten deutlich, dass Wood keine Ahnung von Dramaturgie und logischen Anschlüssen zu haben schien. Alles geht wild durcheinander, Szenen werden motivationslos aneinander gereiht, Tag und Nacht wechseln wie schon gesagt in lockerer Reihenfolge, und die opulente Ausstattung ist schon sehenswert. Die Dialoge sind genauso einfältig wie die, die sie sprechen müssen, sie sind in ihrer Dummheit schon wieder langweilig, zumal Wood hier, wie auch in seinen beiden anderen Filmen, sein phänomenales Talent zeigt, selbst noch so kurze Werke gedehnt und öde werden zu lassen, eben durch seien geschwätzigen, inhaltlosen und unbeschreiblich banalen Wortwechsel. Und so kommt es, dass bei soviel Mist und Unvermögen irgendwann auch der Spaßfaktor etwas reduziert wird, sodass sich am Ende in „Plan 9“ die Lacher deutlich verflüchtigten, weil man ganz einfach ein wenig genug hatte von diesem ganzen Unfug. Jeder Film für sich betrachtet ist eine reine Köstlichkeit, nur sollte man sie vielleicht nicht gerade hintereinander sehen. Bela Lugosi und seine mit diesem schönen transsilvanischen Akzent gesprochenen unheilschwangeren Sätze werden mich jedenfalls noch länger verfolgen: „Pull de strink, pull de strink, bevare of de dragon.“ Lugosi und Wood, wahrhaftig eine furchtbare künstlerische Kooperation zweier verwandter Seelen. (2.11.)