In the bleak midwinter (Ein Winternachtstraum) von Kenneth Branagh. England, 1995. Michael Maloney, Richard Briers, Mike Hadfield, Nick Farrell, Gerard Horan, John Sessions, Celia Imrie, Hetta Charnley, Julia Sawalha, Joan Collins

   Eine bunt und wild gemixte Truppe will Hamlet in einer ausrangierten, saukalten Kirche auf dem Land just zu Heiligabend aufführen. Als man sich nach zahllosen Hindernissen und Querelen endlich auf ein gewisses akzeptables Niveau eingeschossen zu haben glaubt, lockt den Chef Joe ein Filmangebot aus Hollywood und er kann kaum widerstehen. Dann aber zieht es ihn doch wieder zur wahren Berufung, er stürmt als Hamlet die Vorstellung, kriegt sein Mädchen und ein anderer den Job, und alles ist in Butter.

 

   Der deutsche Titel ist bescheuert, aber der Film gottlob nicht. Er hat sogar eine sehr schöne erste Hälfte, die sich mit der Rekrutierung der Schauspieler, der Sondierung des Terrains und dem Kampf um die Kunst befasst, und gerade hier in vollem Maße vom Temperament seines Regisseurs profiziert. Obwohl Branagh glücklicherweise nicht mitspielt (er hätte den gesamten Film völlig mit sich selbst zugedeckt), ist er in jeder Sekunde präsent in Form seiner Vorliebe fürs Flamboyante, Hektische, Geistreiche, Witzige und laute Rumposaunen. Die Verbalgags kommen in lockerer Folge, nicht jeder ist ein Haupttreffer, doch der Spaßpegel bleibt gleichmäßig auf angenehm hohem Niveau. Dann aber fiel ihm nach einer dreiviertel Stunde wohl ein, dass er auch noch eine Handvoll Botschaften zu verlesen habe, und ab sofort geht es um elementare Dinge. Der eine Schauspieler trinkt, eine anderer ist ein Schwuler mit einem Sohn aus seinem einzigen Heterobeischlaf, ein dritter ist ein Öko, ein anderer ein Einsamer, um Anerkennung Suchender undsoweiter, und jede/r hat ihr/sein Päckchen zu tragen. Dann kommt auch noch die Sache mit dem Herzblut, dem Berufsethos, der Berufung. Soll Joe zum Film gehen oder nicht? Hat er nicht seine ganze Seele und sein Herz in dieser Aufführung, hängt nicht geradezu sein ganzes Heil davon ab, und wo wird er je wieder so gute Freunde finden, wie hier beim Theater? Ninas flammende Ansprache ist der Kulminationspunkt des Branaghschen Pathos‘, hier formuliert er ungefiltert seinen eigenen schönen Wunschtraum vom kleinen Amateurtheater mit all diesen lieben, begeisterungsfähigen Menschen, die nicht mit Geld, sondern mit ihrem ganzen Enthusiasmus bei der Sache sind, und dies auch nicht aus Profitgier, sondern aus Liebe zur Kunst, zur Literatur, zu Shakespeare. Wer bis hierher noch nicht gepeilt hatte, dass dies eine überschwängliche Liebeserklärung an das kleine Theater sein soll, wird spätestens hier an dieser Erkenntnis nicht mehr vorbeisehen können. Am Ende erreicht der Wille zur Harmonie dann seinen neuerlichen Aufschwung, als alle kriegen, was sie begehren: Joe kriegt Nina, Terry seinen Sohn, Tom die Rolle beim Film undsoweiter. Es weihnachtet halt. Wenn man sich von dieser wahren Orgie des Glücks und der Versöhnung nicht behindern lässt, kann man hier durchaus einen unterhaltsamen Kinoabend erleben. Die Schauspieler sind frisch und fröhlich drauf, das Tempo ist wie gesagt angenehm flott, die Schwarzweißbilder schmecken nach Kunstanspruch, obwohl niemand so recht weiß, was und Meister Ken damit sagen wollte, und der generelle Tenor des Films ist trotz seiner späten Vorliebe für weihevolle Mitteilungen sympathisch, humorvoll, liebevoll ironisch und natürlich britisch exzentrisch. Man denkt wohl nicht zufällig an „Peter’s friends“ und weiß bei sich im Stillen, dass es ab und zu mal ganz gut ist, wenn der Branagh den Shakespeare sausen lässt und eine so schmissige kleine Sache hinlegt. Leider ab jetzt wohl ohne die Emma, aber alles hat bekanntlich mal ein Ende. (26.12.)