Indien von Paul Harather. Österreich, 1993. Josef Hader, Alfred Dorfer
Kulturelle Stereotypen, wiewohl außerordentlich beliebt in unserer ach so zusammengerückten Zeit, sind natürlich Quatsch. Aber manchmal haben sie dann doch schon wieder was für sich, und ich persönlich kann mich weißgott nicht davon freimachen, gelegentlich selbst mal in solchen Schubladen zu denken. Beim Konsumieren dieses Machwerks dachte ich ungefähr neunzig Minuten lang: „Sowas können nur die Österreicher machen“, und ich glaube, so ist es auch. Eine so böse Mischung aus dunkelschwarzem Humor, Wiener Schnitzeln, Saufkumpanromantik, Analkomplexen und natürlich einer alles überschattenden Todesfixierung erinnert einfach zu stark an alles, was je von vergleichbaren Künstlern aus diesem merkwürdigen Land gekommen ist, und ich denke auch, dass kein Österreicher ernstlich verstimmt über diesen Befund wäre. Jener unbändige Selbsthass, der aber nur den Landsleuten zugebilligt wird (die indes ist beileibe kein österreichisches Phänomen!), jenes abgründige Jonglieren mit abgründigen Banalitäten und vermeintlich tiefschürfenden philosophischen Betrachtungen, und auch diese fast erschreckende Herzlosigkeit, die aus all den makabren Witzen spricht, all dies kann man zumindest immer teilweise bei Karl Kraus, Helmut Qualtinger oder auch dem guten Inspektor Marek vom Tatort wiederfinden, und eben auch in diesem Film. Einem Roadmovie im ersten Teil: Zwei Männer sind unterwegs durch eine entsetzlich öde und flache Landschaft, um Gasthöfe und Hotels auf Herz und Nieren zu prüfen. Sie nerven und hassen einander, kommen sich dann aber doch näher im Rahmen gemeinsam erduldeter Einsamkeit on the road, und aus kitschiger Männerromantik im Auto wird nach und nach sowas wie Freundschaft. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Krebskrankheit des einen und den Versuchen des anderen, damit klarzukommen. Zwischen Lüge, Pathos, Tränen und Tod durchleben die beiden noch eine kurze Zeit, die immerhin in der Aussicht gipfelt, Fellner werde wiedergeboren und dann Kontakt zu seinem Freund Bösel aufnehmen, sodass Letzterer vielleicht nicht ganz allein bleiben wird. Dieser zweite Teil ist entschieden zu lang und entschieden weniger komisch als der erste, dafür psychologisch etwas interessanter. Nach den grob und nach bewährtem Muster gestrickten fiesen Witzen unterwegs, mit denen die beiden erst sich selbst und nach dem Schulterschluss gemeinsam ihre Opfer tyrannisieren, darf man schließlich doch noch etwas unter die Schale blicken und zu der Einsicht gelangen, dass unter all den Fiesheiten und dem grausigen Humor nichts weiter als Verzweiflung und Angst stecken. Angst davor, bloßgestellt zu werden, Schwäche zu zeigen, einem wahren Gefühl zum Opfer zu fallen, und ganz schlicht auch Angst vorm Alleinsein und vorm Tod, obwohl man natürlich die schaurig-schönsten Zoten über selbigen zu reißen imstande ist. Unsere beiden Helden sind plötzlich ganz arme Schweine. Fellner hatte sich bislang an spießige Pedanterie und Ökoideologie gehalten, Bösel an betont vulgäres Verhalten, primitive Witze und ökologisch demonstrativ unkorrekte Entsorgungsmethoden. Aber als sie erstmal ins Reden kommen, bemerkt man ihr Mitteilungsbedürfnis, ihren Wunsch nach Freundschaft und Nähe, und die Art, wie Bösel geradezu rührend den kranken Kollegen umsorgt und jeden Tag besucht, lässt erahnen, wie einsam er ohne ihn dastehen wird. Das Gelächter der ersten Hälfte verläuft sich hier weitgehend, und ich fand die letzte halbe Stunde auch ehrlich gesagt etwas reichlich schleppend, aber immerhin ist es mal ganz erhellend, dass diese beiden Kabarettisten hinter die Fassade ihrer eigenen Figuren blicken, auch ihr Blick bis zuletzt niemals ganz ernst und frei von Ironie bleibt. Die Reise durch ein sehr niederes Niederösterreich hätte aber ruhig den ganzen Film andauernd können, zumal auch ein paar ausgesucht schöne Genrebilder für die passende Stimmung gesorgt hatten und die Reise von Schnitzel zu Schnitzel ebenso gut Raum für tiefere Abgründe geboten hätte. Kein hundertprozentig befriedigender Film, aber auch keine üble Angelegenheit, wobei man als Teutscher ohne Weißwurschtdiplom wirklich dankbar für die ab und zu eingeblendeten Vokabelhilfen sein kann, denn eine Menge Scherze gehen doch im österreichischen Slang unter, der unverständlicher ist, als ich es mir jemals habe träumen lassen. (28.3.)