Keiner liebt mich von Doris Dörrie. BRD, 1994. Maria Schrader, Pierre Sanoussi-Bliss, Michael von Au, Elisabeth Trissenaar, Ingo Naujoks, Joachim Król
Fanny wird bald dreißig und weiß nicht, was sie noch vom Leben erwarten soll. Einerseits besucht sie einen Kurs, in dem die Leute sich auf ihren eigenen Tod vorbereiten, andererseits sucht sie aber immer noch den Mann fürs Leben, angetrieben von ihrer schriftstellernden Übermutter. Ihr Nachbar im Kölner Horrormietshaus schüttelt für viel Kohle ein paar Hühnerknochen und setzt sie auf den schmucken neuen Hausverwalter an, doch der bumst auch ihre beste Freundin, und also hat sich das bald erledigt. Erst kümmert sich Fanny dann um den scheinbar todkranken Voodooheini, der seinerseits genug Herzschmerz zu erdulden hat, und dann stößt sie doch noch auf den Richtigen, der zwar keinen Jaguar fährt, aber auch die Nummer 23, die vorausgesagt nämlich, auf dem Rücken trägt!
Wer hier einen Situationsbrüller nach der Strickart von „Männer“ erwartet hat, sieht sich vielleicht derb enttäuscht, wer allerdings Geschmack hat an solch traurig-komischen Geschichten voller Skurrilitäten und Poesie, wird seine Wünsche schon viel eher befriedigt sehen. Zwischen hinreißender Komik und leicht versponnener Mystik geht es hin und her. Das Leben in der Kölner Mietskaserne, photographisch wunderbar eingefangen, wie überhaupt die Kameraarbeit ein Genuss ist, schwankt zwischen grotesk überzogener Karikatur und realistischem Abbild, und so geht es durch den ganzen Film. Orpheo, der Voodoomann, ist ein Schwuler aus Ostberlin, eigentlich ein verrückter Typ, der mit seiner Scharlatanerie Geld machen will, aber Fanny glaubt innig an seine Prophezeiungen, die sich dieses eine Mal sogar auf wundersame Weise erfüllen. Zwischen den beiden entspinnt sich die alte Schwulen-Frauen-Freundschaft, frei von besitzdenken und sexuellem Stress, und nach seinem merkwürdigen Auffahren in eine andere Galaxie weiß sie, dass sie auch fortan einen Schutzengel haben wird, der ihr irdisches Treiben augenzwinkernd verfolgen wird. Hier balanciert Dörrie manchmal ein wenig hart am Kitsch, aber es wird nie zu dick, weil der Ton einfach zu witzig und lebendig ist und jedes Pathos untergraben würde. Die Fülle verrückter Nebenfiguren und kleiner Episoden, die den Film sehr schön ausfüllen, sorgen dafür, dass es keine Durchhänger gibt, und sowieso nimmt man ja ständig Anteil an Fannys Leben, das zwischen einer dunklen Todessehnsucht, die allerdings wunderbar ins Ironische gezogen wird, und dem Versuch, doch noch was aus sich zu machen, pendelt. Es geht hier allgemein eher um Außenseiter, um Loser, wie sie sich zusammenraufen oder auch nicht. Orpheo erlebt in der Szene eine bittere Enttäuschung und hat aufgrund seiner dunklen Hautfarbe eh reichlich Probleme. Eine alte Oma wirft ihm Geld in den Hut, damit er möglichst schnell wieder nach Afrika verschwindet, und der Yuppieverwalter schmeißt ihn raus, weil er mit der Miete im Rückstand ist und soziale Notfälle nicht ökonomisch relevant sind. Auch die übrigen etwas spinnerten Hausbewohner werden von dem neuen Besen in ihrer zwar chaotischen, aber irgendwie auch liebenswürdigen Existenz bedroht. Die neue glatte Welt bricht über plüschig-kauzige Typen herein und fordert ihre Opfer. Und draußen ist Karneval und lässt alles in seiner hysterischen Fröhlichkeit ertrinken.
Für mich einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre. Er verzahnt die vielen Episoden aus Dörries literarischer Vorlage sehr souverän und elegant, mischt die dramaturgischen Zutaten fast perfekt, ist wie gesagt sehr schön anzuschauen, hat einen Haufen hervorragender Nebendarsteller und mit Maria Schrader die Hauptfigur, der zuzuschauen allein schon den Kinobesuch lohnt. Zwischen sehr schlagfertigem und vielseitigem Witz und etwas abgründiger Poesie ist dieser Film nicht gerade alltäglich, aber genau das macht seinen Reiz aus. (11.2.)