The madness of King George (King George) von Nicholas Hytner. England, 1994. Nigel Hawthorne, Helen Mirren, Rupert Everett, Ian Holm, Rupert Graves, Amanda Donohue, John Wood

   Als König George, der Dritte aus dem Geschlecht der Hannover, nach fast dreißigjähriger Regierungszeit plötzlich ein wenig wunderlich, soll heißen noch starrsinniger als zuvor wird, fällt das zunächst niemandem auf, zumal er am Hof sowieso nicht mehr allzu ernst genommen wird. Doch dann häufen sich die Symptome, der König lässt sich gehen, uriniert vor allen Leuten, befällt fremde Damen im Beisein der Gattin, und seine politischen Äußerungen verlieren das letzte bisschen Autorität. Er ist offensichtlich verrückt, und der Bodensatz der Intriganten, allen voran der eigene Herr Sohn, reibt sich bereits stillvergnügt die Hände, im Parlament soll ein Erlass über die Absetzung des Herrschers eingebracht werden. Die Quacksalber am Hof versagen, da sie nur Farbe und Beschaffenheit der königlichen Exkremente zu interessieren scheinen, und erst ein unkonventioneller, aus de m Klerus stammender Psychoexperte bringt Hilfe, in dem er dem Patienten mit rabiaten, aber letztlich doch erfolgreichen Methoden zuleibe rückt. Gerade als George IV. sich schon auf dem Thron wähnt, kommt der Vater zurück nach London und hält in einem Triumphzug Einfahrt in die Stadt. Knirschend muss sich der elende Kriecher fügen und kann erst 1820 die Nachfolge des nun endgültig geisteskranken Vaters antreten, der sechzig Jahre lang König gewesen war.

 

   Die Qualität dieses Films hängt entscheidend mit seinen diversen Akzentverschiebungen zusammen, die zwar sehr interessant sind, aber leider nicht unbedingt immer einen Gewinn darstellen. Das erste Drittel ist eine schiere Köstlichkeit, selten zuvor wurde das närrische Treiben am englischen Hof genüsslicher durch den berühmten Kakao gezogen. Der König ist ein reaktionärer Spinner, der Amerika noch immer als Kolonie betrachtet und all seine Untergebenen, vom Sohn über die Minister und die Kammerdiener bis hin zum Volk endlos nervt durch seine Schrullen und seine offensichtliche Gleichgültigkeit für die eigentlich ihm zugewiesenen Pflichten und Aufgaben. Allein seine Frau Charlotte, die ihn zärtlich Mr. King nennt, ihrerseits logischerweise Mrs. King gerufen wird, und ihm dafür fünfzehn Kinder „geschenkt“ hat, ist ihm in unverbrüchlicher, rührender Liebe und Treue zugetan, auch dann noch, als sich der Geist des Gemahls umwölkt. Hier gelingen etliche hinreißend komische Szenen, und ich hatte eigentlich erwartet, dass es so weitergehen würde, was dann aber nicht der Fall war. Plötzlich wird man gezwungen, sich für eine Frage, einen Konflikt zu interessieren, der einem zu vor gänzlich egal war: Werden es die bösen Intriganten bei Hof tatsächlich schaffen, den König zu stürzen und den nachtgeilen, dekadenten und verweichlichten Sohn an seiner Statt einzusetzen? Ein Wettlauf mit der Zeit entsteht plötzlich, und wir empfinden nun Mitleid mit dem verwirrten alten Mann, der einigen hässlichen Torturen unterzogen wird und erst bei einer King-Lear-Lesung auf dem Lande seine Situation in den erhabenen Worten Shakespeares wiederfindet. Aus der Komödie ist unversehens eine Tragödie geworden, und im Einklang damit hat den Regisseur auch gleich das Gefühl für Timing verlassen, mit dem Resultat, dass sich zumindest die zweite Hälfte einigermaßen streckt und die Lacher weitgehend ausbleiben. Als dann der geheilte Monarch im Triumphzug nach London zurückkehrt und sich mitsamt der Familie dem jubelnden Pöbel präsentiert, wähnen wir uns gar in einem jener Hollywoodkostümfilme der Fünfziger, die zu Recht in eine andere, zum Glück vergangene Zeit gehören. Erst ganz zum Schluss, als man schon gar nicht mehr damit rechnet, holt der film wieder auf, indem er klammheimlich die Parallelen zu heutigen Verhältnissen am königlichen Hof andeutet. Wenn man die Familie Georges da so grienend posieren sieht, denkt man unwillkürlich darüber nach, wie sich doch die Traditionen erhalten haben. Recht geschickt suggeriert. Ein Nachsatz im Abspann entschädigt dann fast noch für die eher lahme zweite Hälfte: Die Krankheit des Königs ist erblich und unberechenbar, sie tritt in unberechenbaren Intervallen immer wieder auf. Punkt. Das nennt man englischen Humor. Herausragend sind ansonsten natürlich die Hauptdarsteller, vor allem Nigel Hawthorne und Ian Holm sind brillant, während Helen Mirren leider etwas zu wenig zu tun bekommt. Die Hofschranzen und auch die Leibärzte sind witzige Karikaturen, die Ausstattung ist opulent, wie es sich gehört, und die Musik brandet zum Schluss reichlich feierlich auf, begräbt den Witz und die bissige Ironie des Anfangs so ein wenig unter sich. Gute Unterhaltung ist das allemal, aber eben nicht ganz so gut, wie ich es erwartet hatte. (12.11.)