Land and Freedom (#) von Ken Loach. England/Spanien, 1995. Ian Hart, Rosana Pastor, Iciar Bollaín, Marc Martinez, Frederic Pierrot, Tom Gilroy
Eigentlich sind solche Filme in den Neunzigern ja megaout: Filme über große ideale, überpolitische Utopien, über soziale Illusionen, über Pathos und Romantik einer Revolution. Wer so etwas trotzdem macht, muss nicht nur über eine gesunde Souveränität den Trends und Marktgesetzen gegenüber verfügen, sondern auch über den Mut, sich in dieser Zeit der Konsum- und Egoorgien zu solchen Gefühlen und Ideen zu bekennen. Und wenn es dann auch noch um den spanischen Bürgerkrieg geht, muss sich der Künstler darüber hinaus natürlich auch noch vorwerfen, einer jener ewig gestrigen Altlinken zu sein, die man ja eigentlich bereits aus jeglichem Einflussbereich getilgt haben wollte.
Ken Loach hat also einen Film über den spanischen Bürgerkrieg gedreht, besser gesagt einen Film über David aus Liverpool, der nach einem Treffen der Kommunistischen Partei von einer flammenden Rede angesteckt wird und sein Bündel schnürt, zumal ihn daheim in England außer einer Freundin nur noch die Arbeitslosigkeit erwartet. Aus seinen Briefen nach Hause fügt sich die Geschichte seiner Erlebnisse zusammen, die in vieler Hinsicht die Geschichte des antifaschistischen Engagements selbst sein könnte. Dementsprechend schwankt auch Loachs eigener Ton zwischen ungebremster Begeisterung bis hin zu einer gewissen Romantisierung und bitterer Desillusionierung am Schluss. Da nämlich müssen die linken Milizen, die aufopferungsvoll gekämpft hatten, plötzlich erkennen, dass sie vom Parteiapparat, der sich als die offizielle antifaschistische Instanz aufschwingt, ebenso als Feinde angesehen werden wie Franco und seine Truppen. Die freien Milizen sollen aufgelöst, die Leute den Regierungstruppen angeschlossen und auf deren Linie eingeschwenkt werden. Der Stalinismus, so wird plötzlich schmerzhaft deutlich, taktiert auf Kosten vieler Menschen, er sucht Anschluss und Akzeptanz in Europa und deshalb kann man sich diese wilden, idealistischen und vor allem erzkommunistischen Kämpfer nicht mehr leisten. Viele werden getötet oder landen in Gefängnissen, Leute, die zuvor Seite an Seite gekämpft hatten, müssen plötzlich aufeinander schießen. Loach macht die daraus entstehende Verwirrung sehr schön deutlich: David aus Liverpool liegt auf der einen Seite in Deckung, ein Landsmann aus Manchester auf der anderen, und David muss sich fragen, warum zum Teufel er mit einem Mal auf die Männer da drüben schießen sollte. Resultat: Er wirft die Uniform fort und schließt sich wieder der Miliz in den Bergen an, bis diese gewaltsam gesprengt wird, wobei dann auch seine Geliebte Bianca sterben muss. David ist ein Idealist, wie Loach vielleicht, der aus ideologischen Gründen kämpft, ein Kommunist, der den Faschismus vertreiben will, wie so viele andere. Die innerparteilichen Scharmützel kann er nur mit fassungslosem Unverständnis betrachten, sie sind geradezu ein Verrat an der Sache. So schreibt er auch an seine Kit nach Hause: Wir hätten es wirklich schaffen können, aber unser Tag wird vielleicht noch kommen. Diese unbändige Hoffnung, dieser leidenschaftliche Optimismus flackert immer wieder durch den Film, doch wer ihn deshalb naiv nennt, hat all die anderen Szenen nicht gesehen. In denen zeigt Loach geduldig und sehr ausführlich, wie schwer es war, Einigkeit in Sachfragen herzustellen, wie erbittert die Überzeugungen und Ideologien aneinander gerieten, wie heftig letztlich auch die Linken unter sich zerstritten waren. Ohnmächtig muss David mitansehen, wie das eigentliche Ziel, der Kampf gegen Franco, mehr und mehr zermürbenden Grabenkämpfen zwischen den eigenen Leuten weichen muss. Utopisten, Realisten, Arbeiter, Bauern, Spanier, Franzosen, Engländer, Italiener und auch Deutsche kamen zusammen, jeder mit seinen oder ihren eigenen Erfahrungen und Überzeugungen, wie man es angehen sollte. Wenn man den Film so sieht, versteht man irgendwie schon, weshalb Franco sich letztlich durchsetzen konnte, zu geteilt war die Linke, zu kontrovers die unterschiedlichen Positionen. Natürlich hat der Film seine romantischen Anklänge, nicht nur in der Liebesgeschichte, sondern auch in den Schilderungen er Miliz, aber er sieht die eben doch auch aus heutiger Zeit, mit einem deutlichen Zweifel an festgefahrenen Ideologien im Allgemeinen. Loach scheint die ganze Zeit über zu bedauern, dass der Traum von der Revolution nicht in Erfüllung gehen konnte, aber er ist Realist genug, um zu zeigen, wieso er scheitern musste. Er sympathisiert klar und ganz deutlich mit der Sache der linken Miliz und nicht mit der Regierung, er fühlt mit den idealistischen Kämpfern aus anderen Ländern, er strickt sicherlich auch ein wenig mit am Mythos, der diesen Bürgerkrieg seit jeher umgab, aber der Film ist differenziert, abgewogen und vor allem ehrlich genug, um den Traum auch als solchen zu zeigen. Er filmt wie immer unspektakulär, unaufdringlich, realistisch, und dennoch ist der Film streckenweise sehr gefühlvoll und auch anrührend, jedenfalls für solche, die das Gefühl für diese Art von Träumen noch nicht gänzlich verloren haben. (18.11.)