Love and human remains (Liebe und andere Grausamkeiten) von Denys Arcand. Kanada, 1994. Thomas Gibson, Ruth Marshall, Cameron Bancroft, Mia Kirshner, Joanne Vannicola, Matthew Ferguson, Rick Roberts
Eine Handvoll fescher junger Menschen in irgendeiner kanadischen Großstadt: Man jobbt sich durch, bedient Leute mit merkwürdigen sexuellen Phantasien, ist lesbisch, schwul, hetero, kommt gerade nach Jahren zurück oder war schon immer da, sucht nach neuen Herausforderungen oder versackt im Büro. Einer tötet Frauen und reißt ihnen die Ohrringe ab. Alle haben eins gemeinsam: Sie suchen ständig was zum bumsen, wahlweise für die Nacht oder auch für länger. Und los geht das Menschenkarussell, kreuz und quer, bis am Schluss einige gebrochene Herzen und einige Tote und einige hoffnungsvolle Freundschaften übrig bleiben.
Nicht nur die Tatsache, dass Denys Arcand dies alles in kurzen bis kürzesten Schnipseln darbietet, erzeugt ein unangenehmes Gefühl von Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit, auch die rein inhaltliche Ebene bietet wenig Befriedigendes. Seine Nabelschau der Generation (ob nun X oder Y oder was weiß ich welche) erschöpft sich in der wohl nicht mehr ganz neuen Erkenntnis, dass sie alle allein in den Städten leben, unentwegt unterwegs durch die Neonnächte der Kneipen und Discos, sich sehnend nach dem Fick für den Moment oder der großen Liebe. Das haben wir, glaube ich, schon mal gehört und gesehen. Als Grund für diese Rastlosigkeit dürfen wir, ohne dass es aber wirklich an die Oberfläche getragen wird, jene Entfremdung annehmen, die uns ja bekanntlich alle befallen hat. Wir vereinsamen in unseren Designerappartements, selbstverwirklichen uns im Job oder auch nicht, lassen natürlich einen Anrufbeantworter laufen und versprechen einander dauernd, auf jeden Fall bald zurückzurufen. Ich weiß, ich weiß, das alles ist ja so wahr und richtig, aber irgendwie kann ich es langsam nicht mehrt sehen, vor allem dann nicht, wenn ich einen Film sehe, der im Grunde genau so gemacht ist wie die Leute denken. Arcand fährt dazu ebenfalls eine bekannte Palette denkbarer Handlungsalternativen auf: Der coole und zynische Schwule gibt an, keinen Menschen wirklich zu brauchen. Seine Mitbewohnerin sucht verzweifelt nach dem Mann fürs Leben, macht in ihrer Verwirrung aber schon mal den Umweg über eine liebe Lesbe, die es ernst zu meinen scheint. Ein Milchbubi, der wie einer von der Kellyfamily ausschaut, hat sich auch noch nicht für Hetero oder Homo entschieden, aber das kommt noch. Der kalte Bürotyp mordet Frauen, weil er all diese Unpersönlichkeit in seinem tiefsten Innern nicht ertragen kann. Die nette junge Frau hantiert mit Peitschen, Leder und spiritistischen Elementen, wirkt dabei aber irgendwie auch mit sich selbst im Reinen. Hier und da gelingt dann mal ein treffendes Schlaglicht, blitzt jener schlagfertige, umwerfende Humor auf, der vor Jahren aus dem Untergang des amerikanischen Imperiums solch ein Vergnügen machte, doch im Großen und Ganzen herrscht eine gewisse Beliebigkeit vor, konsumiert man viele kleine Geschichten und Episödchen, die so schnell und hastig vorüberziehen, wie halt das Leben in der Stadt ist. Zugegeben geht es einem nicht gerade besser, wenn man aus dem Kino kommt, weil man mal wieder vor Augen geführt bekommen hat, wie auch die eigenen Freundschaften vielleicht heruntergekommen beziehungsweise verflacht sind, aber auf diesem Gebiet hat es schon etliche scharfsinnigere und feinfühligere Filme gegeben, zumal es Arcand sehr oft bei der flotten Pointe belässt, Tiefgründigeres aber konsequent umschifft. Die Krimiversatzstücke zum Schluss habe ich als reichlich lächerlich empfunden, als unausgegoren und überflüssig, denn auch ohne den üblichen Spritzer Brutalität hätte glaube ich jeder Zuschauer kapiert, dass dieses Leben tiefe Einsamkeit, Leere und auch Aggressionen hinterlässt. Unter dem Strich keine sonderlich befriedigende Sache, eher einer von den Filmen, bei denen man nicht weiß, ob sie nun die unverbindliche Coolness dieser Leute kritisieren wollen, oder sie im Grunde irgendwie doch ganz schick und fotogen finden. (20.3.)