Léon (Léon - Der Profi) von Luc Besson. Frankreich, 1994. Jean Reno, Natalie Portman, Gary Oldman, Danny Aiello

   Herr Besson ist ein Ästhet, zuerst und zuletzt, und alles, was er so drumherum anstellt, sollte in erster Linie diesem zweck dienen. Zwei Dinge bewegen sich im Zentrum dieser Ästhetik: Gewalt und das, was er Gefühle zu nennen scheint. Ersteres wird in seinem neuen, erstmals auf Englisch und in New York gedrehten Machwerk zur Genüge bedient: Ein Profikiller in Little Italy legt sich mit einem ebenso mächtigen wie schweinisch korrupten Beamten an und kriegt dafür das halbe New Yorker Spezialkommando auf den Hals. Der Grund für diesen Aufwand sollte dann eher im Bereich der Gefühle liegen: Mathilda, eine coole Zwölfjährige, deren Familie von oben genannten Killern ermordet wurde, und die nun von Léo wissen will, wie man tötet. Der Film beweist einmal mehr, was uns schon frühere Werke des Herrn ahnen ließen, nämlich dass er mit der Gewalt keine Probleme hat, sondern sich perfekter, athletischer und moderner Brutalotechniker erweist, an dem die gewaltverliebten Amis sicher ihre Freude haben dürften. Das Problem sind die Gefühle, oder vielmehr, irgendetwas zu finden, das den visuellen und akustischen Bombast rechtfertigt, ihm Substanz verlieht (Oops, da ist es wieder, das böse Wort). Eric Serras symphonisch-feierliche Musik liegt stets auf der Lauer, uns mit neuen Gefühlsschauern zu überschwemmen, und eine elegant und fein geführte Kamera gleitet durch die Gegend, dass es schon nett anzuschauen ist. Wenn man aber nach einer Geschichte fragt, nach Charakteren, nach Hintergründen und Entwicklungen, dann entstehen lange Gesichter. Besson hat zwei wunderbare Typen als Darsteller und zwei potentiell vielversprechende Personen, den Milchtrinker, Pflanzenhüter, Analphabeten und Killer und das kokette, freche, aber auch sanfte und verletzliche Mädchen, aber er tut nichts, um in die Szenen, die sich zwischen den Schießereien abspielen, Spannung zu bringen, alles spielt sich an der Oberfläche ab, bleibt angedeutet. Natürlich kriegen wir die Message mit: Er bringt ihr Töten und Überleben bei, und sie lehrt ihn Schreiben und Lesen und überhaupt unter Menschen zu sein, bricht die Schale des Asketen und Einsiedlers auf, weckt seine Gefühle. Aber all dieses wird nur gesagt, behauptet, aber keinesfalls nachvollzogen. Der Film enttäuscht immer dann, wenn er Menschen zeichnen will. So verwundert es auch nicht, dass Gary Oldman eine idiotisch klischeehafte Rolle hat – den Psychokiller, der Beethoven von Brahms unterscheiden kann -, obwohl ja wohl niemand verlangt hat, dass er sie so schlecht spielt, als habe er sich noch immer nicht von dem Dracula-Fieber erholt. Besson liebt die Showdowns, und nur auf sie konzentriert er sich, er liebt Versprechungen und hohle Posen, und aus all dem besteht der Film. Am Schluss ein absurdes Happyend: Nachdem sich Léon für Mathilda geopfert hat, wird sie in einer Nobelschule wieder aufgenommen und findet den Weg in die geordnete Welt. Dazu singt, um das Maß vermutlich voll zu machen, Mister Sting. Na Prost denn. (25.1.)