Mercedes – mon amour (#) von Bay Okan. BRD/Frankreich, 1991. Ilyas Salman, Valère Lemoine, Micky Sebastien
Bayram hat solange den Münchener Marienplatz gefegt, bis er endlich die Kohle für die Erfüllung seines großen Traums beisammen hat: Als stolzer Besitzer eines honigfarbenen Mercedes macht er sich auf gen Heimat in ein kleines Nest irgendwo bei Ankara, wo er dann auch noch jenes Mädchen zu freien gedenkt, das er einst mit einem Eheversprechen zurückgelassen hatte. Als er dann zuhause ankommt, liegt sein Traum in Trümmern, genau wie Troja: Der Benz ist nur noch ein Haufen Schrott, und die Liebste ist schwanger und in Ankara verheiratet, und sein altes Dorf existiert auch nicht mehr, dort buddeln jetzt nämlich deutsche Touristen nach antiken Schätzen.
Bayram ist, kurz gesagt, ein echter Mistbock, ein gemeiner kleiner Spießer, der am Steuer eines Mercedes all jene Züge annimmt, die man gemeinhin mit seinen Vorurteilen gegen solche Leute assoziiert: Ein arroganter Stutzer, der sich wie ein König gebärdet, dem nur europäisches Benzin gut genug ist (worauf die Mühle natürlich prompt im dichtesten Verkehr stehen bleibt), der glaubt, für eine Fahrt mit ihm legen sich sämtliche Frauen gleich flach, ein dummer Macho also, der sich ganz allgemein für was Besseres hält. Im Verlauf des Films, in den immer wieder Rückblenden eingebaut sind, um zu erklären, wie Bayram nun nach Deutschland kam, wird’s deutlich, dass der Gute sogar noch mieser ist, als wir dachten: Nicht nur lässt er seine treue Verlobte schmählich und arrogant sitzen, sondern er erschleicht sich sein Ticket ins Paradies auch noch auf Kosten eines anderen, dem es zugestanden hätte und dem sich Bayram mit heuchlerischer Hilfsbereitschaft angedient hätte. Und dennoch: Als er dann am Ende in der Türkei vom dem Schutthaufen seiner Wünsche steht, sprachlos und erschüttert von soviel Unglück, kann er einem schon wieder leidtun. So bewegt sich der Film mit beträchtlicher Kunstfertigkeit immer auf dem schmalen Grat zwischen bissiger Satire und der Tragödie des kleinen Mannes, der ja eigentlich nur dem nachstrebt, was ihm im reichen Teutschland tagtäglich vorgelebt wurde, der einmal in der Heimat der Größte sein, einmal gefeiert werden, einmal groß Einzug im Dorf halten will, von allen bestaunt und beifällig umringt. In den Rückblenden erfahren wir nämlich noch mehr: Bayram ist Waise, von seinem Onkel großgezogen, von jeher ein Außenseiter, schon als Kind in der Dorfgemeinschaft, klar also, dass er sich revanchieren, um Anerkennung buhlen will. Aber je inniger er sein Auto liebt, je selbstgefälliger und herrischer er auftritt, besonders auch seinen Landsleuten gegenüber, die ihn kopfschüttelnd und spöttisch als Emigranten bezeichnen, desto heftiger sind natürlich die Unfälle, die ihm und seinem Auto zustoßen: Erst wird nur der Stern geklaut, dann geht der Blinker kaputt, dann spucken Jungs drauf, dann spritzt Teer dran hoch, dann fliegt ein Stein in die Windschutzscheibe, und schließlich rauscht er, einem Erntefahrzeug ausweichend, eine Böschung runter und überschlägt sich. Aber was echte deutsche Wertarbeit ist, fährt er natürlich immer noch weiter. Die lange Reise von Deutschland über Istanbul bis ins ferne Asien ist außerdem Anlass für schöne und interessante Bilder, die der Regisseur immer wieder für ironische Seitensprünge nutzt. Bayram sieht die Türkei plötzlich aus der Sicht des Deutschen, der gewohnt ist, dass alles funktioniert, und er regt sich auch ganz im Stil eines Deutschen auf, was ihm höchstens das Gelächter seiner Landsleute einträgt, für die der zickige Typ nur eine Witzfigur ist. Das Auto ist ihm wichtiger geworden als die Menschen, für den Benz würde er wahrscheinlich über Leichen gehen, alle Rücksichten fahren lassen, na, woher er das wohl hat. Dass all dies niemals zu hart wird, sondern immer schön humorvoll und sympathisierend bleibt, liegt an dem warmen, einfühlsamen Stil des Regisseurs, der Satire ebenso gut handhabt wie Zwischenmenschliches, und dem es gelingt, in einigen prägnanten Szenen Aufschlussreiches über Bayram und seien Attitüden auszusagen. Ein ebenso witziger wie interessanter Film, der so ganz nebenbei mal zeigt, was all jene Leute auf sich nehmen, die Jahr für Jahr die irrsinnige Reise nach Hause antreten, tagelang quer durch den Balkan und dann noch bis weit nach Asien rein, in eine völlig andere Welt. So etwas sehe ich mir immer gerne an. (15.11.)