Mrs. Parker and the Vicious Circle (Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis) von Alan Rudolph. USA, 1994. Jennifer Jason Leigh, Campbell Scott, Matthew Broderick, Jennifer Beals, Peter Gallagher
Ein paar Jahre nach Rudolphs schillernd-ironisch-melancholischer Kunstphantasie „The Moderns“ sehen die legendären Zwanziger nicht mehr ganz so verlockend aus, und auch Dorothy Parker, eine jener illustren Protagonistinnen jenes Zeitalters, muss in der Rückschau darüber nachdenken, ob sie denn wirklich so toll gewesen sind. Sie lebt in den Zwanzigern in New York, dem Zentrum der neuen Welt, schreibt Kurzgeschichten für Magazine, Kritiken aller möglichen kulturellen Ereignisse und bewegt sich im Zentrum eines Bekanntenkreises, der sich regelmäßig im Algonquinhotel trifft: Literaten, Kritiker, Drehbuch- und Theaterschreiber, Intellektuelle aller Richtungen, die sich um den runden Tisch versammeln, um Tratsch, Boshaftigkeiten, Ansichten auszutauschen, kurz, ihren Spaß zu haben. In den Dreißigern ist Parker kurz in Hollywood als Autorin, später, wie sie aber nur kurz erwähnt, auch im Spanischen Bürgerkrieg. Noch später vegetiert sie dem Trunk ergeben dahin, eine berühmte Schriftstellerin, die zwar erst 1967 stirbt, in Wirklichkeit aber schon die Zwanziger nicht mehr so richtig überlebt.
Rudolph erzählt nicht chronologisch, nicht auf übersichtliche Information bedacht. Er schwenkt hin und her zwischen farbigen Szenen aus dem New York der Glanzzeit und Schwarzweißsequenzen aus Hollywood und späteren, deprimierenden Jahren in New York. Gedichte Dorothy Parkers werden eingeschnitten, zumeist als bitterer Kommentar der Ereignisse, ihres eigenen Gefühlslebens, Lass mich bitte schreiben wie ein Mann, bittet sie den lieben Gott einmal, aber das ist weißgott nicht ihr einziges Problem. Als brillante, gnadenlos bissige Analytikerin ihrer Umgebung leidet sie ständig an dem Dilemma, selbst Teil jener Kreise zu sein und entsprechend damit leben zu müssen. Sie schreibt niederschmetternde Satiren oder traurige Verse über Glück, Liebe, Vertrauen und dergleichen, kann aber nicht umhin, selbst immer noch nach diesen Dingen zu suchen. Sie wechselt ihre Männer häufiger, ist angeödet von ihrer Mittelmäßigkeit, Einseitigkeit oder plumpen Physis, aber ab und zu braucht sie den Sex ebenso wie die Illusion von Nähe und Geborgenheit. Sie steht sich mit einem Wort ständig selbst im Weg, sie ist einfach zu klug für das Leben, das sie führt, und andererseits könnte sie wiederum in keiner anderen Gesellschaft existieren, denn nur von ihr kommen wenigstens ab und zu mal ein paar Geistesblitze oder Inspirationen. Oft genug allerdings lässt sie das eitle, leere beschwätz und die aufdringlichen Profilneurosen einzelner Stammtischgesellen bestenfalls mit nachsichtiger Müdigkeit über sich ergehen, fühlt sich auch hier eingeengt, auf eine bestimmte Rolle fixiert, vor allem als Frau ganz und gar unfrei und in ihren sexuellen Bewegungsfreiräumen empfindlich eingeschränkt. Einzig die Freundschaft zu Robert Benchley, platonisch bis zum Schluss, steht über ihren flüchtigen Affären und ihrem zwiespältigen Verhältnis zu den anderen. Für ihn empfindet sie ein tiefes, dauerhaftes und durchaus zärtliches Gefühl, das er als verheirateter Mann eher verlegen und unbeholfen erwidert. In ihm hat sie einen Freund, der ihr nicht dauernd Moralpredigten hält, der sie als Mensch gänzlich respektiert und dem sie sich anvertraut. Als er 1945 überraschend stirbt, bricht ihre letzte Verbindung zu der Vergangenheit ab. Sie hat in den Zwanzigern ihren Platz nicht gefunden, hat sich nie recht heimisch gefühlt im Kreis am runden Tisch, hat nicht den richtigen Mann gefunden, wollte es vielleicht auch nicht, hat sich eine Alkoholsucht angewöhnt und sich danach in Hollywood für kurze Zeit prostituiert als Künstlerin an der Seite eines Mannes, den sie verachtete. Ein Psychologe stellt im Gespräch mit ihr eine starke Diagnose: Diese Leute, die da so oft und so eng beieinandersitzen, sind in Wirklichkeit zutiefst verunsichert und ängstlich und suchen in der trügerischen Sicherheit der großen Gruppe Halt. Parkers Problem bestand zum großen Teil darin, dass ihr dies teilweise wenigstens allzu bewusst war. In ihren Launen schwankte sie zwischen scharfer, rücksichtsloser Einsicht und Klarheit, was sie dann regelmäßig dem Selbstmord nahebrachte, und alkoholvernebeltem Selbstmitleid, was sie auf eine neue, selbstzerstörerische Affäre zutrieb. Jennifer Jason Leigh realisiert mit ihrer hervorragenden Darstellung Rudolphs Konzept perfekt, bringt uns die oft traurigem beängstigende Zerrissenheit Parkers zwischen schläfrigem Witz und tiefer Niedergeschlagenheit nahe. Rudolph arbeitet bei der Rekonstruktion der Zeit mit sehr einfachen Mitteln skizziert Dekors, Kostüme, Musik, Ambiente, stellt die Menschen in den Mittelpunkt und bietet ein komplexes, nicht immer leicht zu konsumierendes Zeit- und Persönlichkeitsbild, das teilweise durch scharfzüngige Dialoge glänzt, aber insgesamt ein ganz und gar unglamouröses Bild der Zwanziger entwirft, eins, an dem man schon ein bisschen zu beißen hat. Ein beeindruckender Film. (1.10.)