Muriel’s wedding (Muriels Hochzeit) von P. J. Hogan, Australien, 1994. Toni Colette, Rachel Griffiths, Bill Hunter, Jeanie Drynan, Gennie Nevinson Brice
Der lange und beschwerliche Weg Muriels von Porpoise Spit nach Sydney: Als unbeliebter, pummeliger Außenseiter in einem Küstenkaff, inmitten einer Familie von Losern und einem großmäuligen, korrupten Vater, der seiner Frau und den Kindern genau dies tagtäglich klarmacht. Muriel kriegt keinen Job, klaut, hört die falsche Musik, trägt die falschen Klamotten, hat keine Chance bei Typen, und die Girls aus der Clique verachten sie, weil sie keine solche Barbiepuppe ist wie sie. Erst eine alte Schulkameradin bringt sie auf Trab, schleift sie in die große Stadt, besorgt ihr Dates und macht ihr vor allem klar, dass auch sie jemand ist, jemand Besonderes. Als ein südafrikanischer Schwimmling zwecks Einbürgerung eine Australie0rin ehelichen will, greift Muriel zu und sahnt eine Menge Kohle ab. Paps hat sich derweil heillos in Affären und dreckige Geschäfte verwickelt, die Freundin ist infolge eines Tumors querschnittgelähmt, und schließlich begeht Mom mit Tabletten Selbstmord. Grund genug für Muriel, sich auf ihr eigenes leben und auf ihre einzige Freundin zu besinnen, und gemeinsam unternehmen sie den definitiven Auszug aus Porpoise Spit.
Eine Selbstfindungsgeschichte zwischen trashigem Humor und tragischen Elementen. Man wird hin- und hergerissen zwischen bissigen und grellen Attacken gegen Kleinstadtspießer mitsamt ihrer verkommenen, bigotten Moral und den durchaus ernsten Schicksalsschlägen, denen Muriel ausgesetzt ist. Die Demütigungen durch den Vater in Gegenwart von Geschäftspartnern sind nicht sehr lustig, auch nicht die Lähmung der Freundin und auch nicht der Selbstmord der Mutter. Den Außenseitern haftet zunächst eher etwas Grotesk-Dekadentes an, doch schnell begreift man, dass Muriels Mutter und Geschwister lediglich Opfer des übermächtigen und widerlichen Vaters geworden sind, eines Möchtegerntykoon, der in der Gegend rumbumst und die eigenen Kinder verhöhnt. Muriels Minderwertigkeitskomplexe rühren dorther, aber auch aus der zickigen Ablehnung seitens ihrer Pseudofreundinnen, die eine Art Geschmacksuniformität entwickelt haben, unter ihrer Fassade der Solidarität jedoch den frischgetrauten gatten der besten Freundin vögeln. Muriel ist der Freak, der sie alle blamiert mit ihren geschmacklosen Klamotten und dem großen breiten Gesicht mitsamt ausladender Figur. Es dauert lange, bis sie lernt, auf sich ein wenig stolz zu sein, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie lernt, dass das Leben manchmal genauso toll sein kann, wie ein Abba-Song, aber sie lernt auch, dass man Träume nicht kaufen kann. Ihre Hochzeit im Traumkleid ist eine böse Farce, und in ihrer Blindheit verleugnet sie jene, die ihr eigentlich nahestehen. Muriels Irrwege und Irrtümer sorgen dafür, dass diese Geschichte nicht so glatt und vorhersehbar abläuft, wie man es hätte annehmen können. Zwischen Parodie, scharfer Satire und mitfühlenden Szenen sind die Trennlinien nur undeutlich gezogen, Komisches und Trauriges wechseln sich in unberechenbarer Folge ab, aber der temperamentvolle Ton und die Sympathie für Muriel und ihre Gehversuche bleiben und geben dem Film seine Stimmung, bewahren ihn davor, eine von vielen kanten- und konturlosen Teeniegeschichten zu sein. Die beiden Hauptdarstellerinnen sind besonders gut, und endlich hat der Film den unvergleichlichen Trash- und Kultgehalt von Abba entdeckt. Nicht wenige meiner Mitbesucher summten da so die eine oder andere Textzeile mit, denn längts muss sich der Abba-Fan nicht mehr verleugnen, wie einst in den Siebzigern, als es noch ganz und gar uncool war, einer zu sein. Auch das scheint der Film sagen zu wollen, dass man ruhig mal uncool sein kann, Hauptsache, man hat seinen Spaß und seine Träume, auch wenn das mit der Realität dann so eine Sache ist. (29.1.)