Zir e drakhtan e zeeyton (Quer durch den Olivenhain) von Abbas Kiarostami. Iran, 1994. Hossein Rezai, Mohama Ali Keshavarz, Farhad Kheradmand, Zarief Shiva

   In einem kleinen iranischen Kaff meilenweit weg von Teheran wird ein Film gedreht. Einer der Laiendarsteller, Hossein, begehrt schon seit langem, ein junges Mädchen zu heiraten, das auch mitspielt, dessen Familie ihn aber bislang schroff zurückgewiesen hat. Er gibt nicht auf, läuft der holden Maid nach, wo immer sie auch gehen mag, und ob er am Ende nicht doch noch belohnt wird, bleibt so ein bisserl offen.

   Deshalb nämlich, weil man ihre Reaktion letztlich nicht mitbekommt: Von einem Hügel aus beobachtet die unbewegte Kamera minutenlang, wie er sie durch den bewussten Olivenhain verfolgt und sie vollquatscht. Solange wir noch zuhören konnten, würdigt die Unnahbare ihn weder eines Blickes noch einer Antwort, doch ganz am Schluss kommt Hossein auf einmal den ganzen Weg zurückgelaufen. Entweder hat sie ihn nun doch erhört, oder ihm ist schlicht eingefallen, dass er seine Sachen oben auf dem Berg hat liegenlassen. Wie auch immer, jedenfalls berühren den Zuschauer diese hartnäckigen Bemühungen doch nicht wenig, zumal Hossein ein guter Kerl ist, der sich so seine Gedanken über die Ehe im Allgemeinen gemacht hat: Um die Menschheit auf Dauer weiterzubringen, müssen die Reichen die Armen, die Klugen die Dummen, die Belesenen die Analphabeten heiraten undsoweiter. Nun, er ist Analphabet, ein Handwerker, der sich das so vorstellt, dass er für den Broterwerb sorgt und seine Gattin für die Erziehung des Nachwuchses. Kein schlechter Plan, der es wirklich verdient hätte, zumindest mal überdacht zu werden.

 

   Ansonsten bietet der Film noch Einblick in eine von Erdbeben erschütterte Region, deren Menschen tot sind oder in die große ferne Hauptstadt drängen, weshalb sich auch Teheran wie so viele Metropolen der dritten Welt zu einem unkontrollierbaren zehn-Millionen-Moloch auswächst. Das Filmteam aus der Stadt stößt natürlich auf eine eher archaisch strukturierte Gemeinschaft, man bemüht sich aber um einen einfühlsamen, dezenten Umgangston. Charmant wird der Film auch noch dann, wenn es um die Dreharbeiten selbst geht, die sich zäh und in endlosen Wiederholungen dahinschleppen, weil mal die stolze braut partout das Wort nicht an den verachteten Hossein richten will, und weil ein anderes Mal der schüchterne junge Mann im Angesicht einer Frau prompt zu stottern beginnt und seine paar Sätze nicht hersagen kann. Neben diesen vergnüglichen, auf menschlich-warme Weise amüsanten Momenten schleppt sich die Geschichte auch immer mal etwas müde dahin, und zumindest ich kann mir gut vorstellen, dass ein Film wie dieser für Iraner selbst wesentlich mehr Relevanz hat, als für uns, denn er repräsentiert eine Lebenswelt und -form, die uns nicht nur fremd ist, sondern die auch hier ganz nüchtern, realistisch und unspektakulär betrachtet und gefilmt wird. Gottseidank, muss man sagen, auch ohne kitschige Ethnobilder, ohne pathetische Anbiederungsversuche an den Geschmack des großen Publikums. Dabei kommt wohl keine überwältigende oder große Filmkunst heraus, sondern eher ein soziologisches Dokument mit locker eingeflochtener Spielfilmhandlung, doch auch durch die Laiendarsteller und die kunstlose, direkte Kameraführung entsteht ein Eindruck unmittelbarer Authentizität. Das hat mich am Abend nicht gerade durchgehen gefesselt, aber zwischendurch blitzt regelmäßig sehr sympathischer Humor auf, der mich dann unter dem sprichwörtlichen Strich doch entschädigt hat für die eine oder andere Länge. (23.10.)