Rendez-vous à Paris (Rendezvous in Paris) von Eric Rohmer. Frankreich, 1994. Clara Beller, Antoine Basler, Aurore Rauscher, Serge Renko, Michael Kraft, Bénédicte Loyen, Veronika Johansson

   Auch als gestandener Mittsiebziger scheint sich Herr Rohmer unverdrossen für die kleinen und größeren Belange der Jugend zu interessieren, phänomenalerweise stehen weiterhin Film für Film junge Leute im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit, die nach wie vor von liebevoller, aber auch ironischer und genauer Sympathie gekennzeichnet ist. So auch in seinem neuesten Episodenfilm mit drei kleinen Geschichtchen aus Paris, dessen Straßen, Parks, Plätze, Restaurants, Galerien und Museen dabei völlig gleichwertig zum Geschehen sind. Ein herbstliches Paris, dem Rohmer hier seien tiefempfundene Aufwartung macht.

   Auch die Geschichten haben sich nicht groß geändert. Noch immer wird vor allem geredet, und noch immer steht vor allem die Liebe in all ihren Erscheinungsformen zur Debatte. Im ersten Teil lässt sich ein Mädchen widerwillig einreden, ihr Freund sei nicht so treu, wie sie es gern hätte, obwohl sie ihn energisch gegen alle Nachreden in Schutz nimmt. Wie es das Schicksal will, entpuppt sich ausgerechnet ein anderes Mädchen, das ihre gestohlene Brieftasche wiedergefunden und sie ihr nach Hause gebracht hat, als die andere Freundin ihres Freundes, und so muss es in einem Café nahe Les Halles unweigerlich zur Konfrontation kommen. Am Schluss stehen oder sitzen alle allein da: Die Betrogene rauscht wütend davon, ihr Freund haut auch einfach ab, lässt die andere sitzen, und auch der vermeintliche Dieb, der versprochenerweise zum Rendezvous erschienen ist, wird wohl vergeblich warten.

   Im zweiten Teil durchstreift ein Pärchen unermüdlich die Stadt. Sie hat eigentlich noch einen Freund, liebt ihn aber nicht mehr, kann sich nur nicht definitiv lösen. Er redet ihr dauernd ins Gewissen, und nach und nach lockern sich auch ihre etwas zickigen Launen. Dann plötzlich sieht sie ihren eigentlichen Freund mit einer anderen in just dem Hotel verschwinden, das sie und ihr Neuer auch gerade aufsuchen wollten. Sie ist so verletzt, dass sie dem neuen auch gleich einen Tritt gibt und ihm sagt, nun da sie den einen Mann los sei, brauche sie auch den anderen nicht mehr, der sowieso nur ein Mittel war, um vom ersten loszukommen.

   Im dritten Teil testet ein junger Maler seine Wirkung auf Frauen, allerdings mit wenig Erfolg. Die Frau, die er anspricht, ist verheiratet, flirtet zwar ein bisschen mit ihm, zeigt ihm aber doch klar die Grenzen auf, und die junge Schwedin, die ihm von einer Freundin in Obhut gegeben worden war, hat auch gemerkt, dass der Gute nicht gerade der zuverlässigste Charakter ist, und zieht es deshalb vor, zum abendlichen im Café ihrerseits nicht zu erscheinen.

 

   Die ersten beiden Geschichten zeigen Rohmer in alter Form. Wie kaum ein anderer tritt er als Regisseur ganz zurück, gibt den Leuten freien Raum zur Entfaltung und erreicht nur so die unnachahmliche Mischung aus charmanter Komik und allzu lebensechten Intrigen. Man belügt sich selbst und andere, spielt herum, kann sich auf gar keinen Fall festlegen, fühlt sich leicht eingeengt und angegriffen, man flirtet, gibt sich kapriziös, ist aber zugleich darauf bedacht, nur ja nicht zuviel von sich preiszugeben. Wie gewohnt treten die Frauen in den Vordergrund und wie gewohnt erscheinen sie als hinreißend realistisch und manchmal ein klein wenig ins Ironische überspitzt, doch stets so, dass die Realität deutlich erkennbar durchscheint. Die Männer stehen ihren Launen oft ratlos gegenüber, was noch lange nicht heißt, dass Rohmer nun ausgerechnet mit ihnen sympathisieren würde, im Gegenteil, die Frauen sind immer die farbigeren, vielschichtigeren, interessanteren Charaktere und ihnen gilt deutlich die Zuneigung des Regisseurs. Genau deshalb hat mir vielleicht die letzte Episode nicht ganz so gut gefallen, weil der eitle Mann nicht den Charme der anderen Protagonistinnen hat, oder auf mich als Mann halt nicht so wirkt. Man bringt dem eigenen Geschlecht vielleicht nie soviel Interesse entgegen, kanzelt den Typ schnell als blöden Anmacher ab, sei es nur, weil man sich selbst darin erkennt und das nicht so gern möchte. Alles in allem eine wie gewohnt leichtgewichtige, luftige Angelegenheit, die es trotz allem fertig bringt, ein Stück moderndes leben prägnant, witzig, elegant und vor allem unheimlich lebensecht festzuhalten. Wo andere sich auf der Suche nach dem sogenannten modernen Lifestyle angestrengt locker und modern geben, verlässt sich Rohmer ganz einfach auf seine zur Perfektion entwickelte Einfachheit, Direktheit, Offenheit und Eleganz, lässt die Menschen für sich selbst sprechen, und solange das, was sie sagen, noch immer so unterhaltsam ist, kann er ruhig in diesem Stil weitermachen. (15.8.)