Shanghai Triad (Shanghai) von Zhang Yimou. China/Frankreich, 1995. Gong Li, Li Baotian, Shun Chun, Wang Xiao Xiao

   Der Vierzehnjährige aus dem Hause Tang kommt vom Land in das brodelnde Shanghai der 30er Jahre, um bei einem fernen Verwandten, dem mächtigsten Sippenboss der Stadt, als Diener anzufangen. Er wird als persönlicher Lakai der Mätresse zugeteilt, einem schönen, aber verwöhnten, intriganten, tyrannischen Biest. Die hat einen Geliebten aus der Familie vom Boss, und das bringt alle in Schwierigkeiten, denn jener Geliebte will zusammen mit einem anderen Triadenchef gern den Laden übernehmen. Der Boss flüchtet zusammen mit der Miss, ihrem Boy und einigen Wächtern auf eine kleine, versteckte Insel, wo sich das Finale abspielt, an dessen Ende der Tod der Gegner einschließlich der Miss steht.

 

   Die Welt steht buchstäblich Kopf am Schluss: Shuisheng baumelt, an den Füßen aufgehängt, von einem Bootsmast herab und muss entsetzt mitansehen, wie ein kleines Mädchen, die Tochter einer ebenfalls ermordeten frau, zur Nachfolgerin der Miss herangezüchtet werden wird. Entsetzt ist er deshalb, weil er mittlerweile erfahren hat, wie tot und leer solch ein Leben ist, voller Luxus zwar, aber ohne Liebe und Freunde. So wird auch der Zuschauer dazu bewogen, sein Bild von der Miss im Lauf des Films zu revidieren, je mehr er aus ihrem Leben erfährt. Auch sie stammt vom Lande aus ärmlichen Verhältnissen, auch sie wurde vermutlich aufgrund ihrer Schönheit ausgewählt, die nächste Geliebte vom Boss zu werden, genau wie das kleine Mädchen jetzt, und letztlich verhält sie sich zwar aus Gewohnheit töricht und eitel, ist aber durchaus zu Mitleid und tieferen Gefühlen fähig. Zhang erzählt eine Initiationsgeschichte, ganz aus der Sicht des Jungen, der nichts von dem versteht, was er in der Riesenstadt sieht und hört, der erst langsam mit den Gebräuchen, den Regeln und Denkmustern der Stadtmenschen vertraut gemacht werden muss. Bis zuletzt allerdings zeigt sich in seinem Gesicht eher noch großäugiges Erstaunen als wirkliches Verstehen. Nur wenn zuletzt die Geldstücke, die er von der Miss als Startkapital für ein eigenständiges Leben erhalten hatte, im Meer versinken, ahnt er wohl, dass er einer bestenfalls unsicheren Zukunft entgegensieht. Das Ende ist durchweg finster und pessimistisch, überraschend eigentlich, denn zuvor wurde man kaum auf diese massive Tragödie vorbereitet. Der Film ist, wie immer bei Zhang, ästhetisch perfekt und sehr schön, mit Farben zwischen Gold, Gelb, Rot und Braun, einem leichten Nostalgieschleier über vielen Dekors und einem gewissen Hang zur Langatmigkeit, was die Gesangs- und Tanzszenen Gong Lis betrifft. Gewalt und verrat waren am Rande stets präsent, gerieten aber selten einmal ins Bild, weil Shuisheng natürlich keinen Einblick in sämtliche Geschehnisse erhält. Vor allem die langen Szenen auf der Insel konzentrieren sich eher auf sein verändertes Verhältnis zur Miss, die er anfänglich gehasst hatte, die er jedoch zunehmend respektiert und wohl auch mag, weshalb er sie auch zu retten versucht und dabei sein eigenes Leben riskiert. Im Vergleich zu Zhangs anderen Filmen hat mich dieser gefühlsmäßig am wenigsten angesprochen, was zuerst natürlich am Thema liegt, das mich schlicht nicht sonderlich interessiert, aber auch am Fehlen jener intensiven Emotionen, die sonst so charakteristisch für diesen Regisseur sind. Alles wirkt ein Stückchen zu gepflegt, zu matt, zu behäbig auch in der Erzählweise, und das liegt nicht daran, dass Zhang sich um die Perspektive eines heranwachsenden, lernenden Jungen bemüht. Das Problem liegt in der ersten Stunde, die zu schleppend geraten ist und Interesse und Spannung weitgehend abflachen lässt, während erst in der zweiten Hälfte der Geschichte, auf der Insel nämlich, so etwas wie Dichte und Spannung aufkommt. Im Prinzip finde ich es sehr positiv, dass Zhang etwas anderes versucht hat, als nur einen weiteren blutigen Mafiafilm, nur eben diesmal auch China, zu machen, denn davon haben wir weiß Gott mehr als genug. Seine Alternative kann jedoch leider auch nicht besonders überzeugen, weil au h er sich nie ganz dem Sog glitzernder Nostalgie entziehen konnte, und die empfinde ich fast immer als ziemlich störend. Für mich ist dies, nach einer Reihe glanzvoller Werke, der erste eher schwache Film Zhang Yimous, und daran wird selbst Gong Li nichts ändern, die wie immer eindrucksvoll ins Bild gebracht wird. (7.12.)