Tengoku to jigoku (Zwischen Himmel und Hölle) von Akira Kurosawa. Japan, 1963. Toshiro Mifune, Kyoko Kagawa, Tatsuya Mihashi, Tatsuya Nakadai, Yutaka Sada, Kenjiro Ishiyama, Tsutomu Yamasaki, Ko Kimura, Takashi Shimura 

   Immer mal wieder zwischen seinen Ausflügen in die vergangenen Zeiten der Samurai und der großen Dynastien widmete sich Kurosawa auch der jetzt-Zeit, vergleichswiese selten zwar, aber immerhin. Dabei musste er in diesem Falle nicht mal auf seine ebenso regelmäßig anfallenden literarischen Ambitionen verzichten, nur statt Shakespeare oder Gorki eben einen modernen Autor heranziehen, du mit Ed McBain hatte er ihn offenbar auch gefunden. Das ist überhaupt nicht abwegig, denn eine amerikanische Großstadt funktioniert ebenso wie eine japanische, und ein amerikanisches Polizeirevier ebenso wie ein japanisches. Erpressung, Entführung, Rauschgiftsucht, Mord und Todesstrafe kommen ebenfalls zuhauf in beiden Ländern vor, und somit hatte Kurosawa beste Voraussetzungen für einen Film, der einerseits spannend sein sollte, andererseits aber auch einen Blick auf die moderne Großstadt als Lebensraum mit all seinen Gesetzen werfen konnte. Ein Kind entführt, ein reicher Mann, nicht mal der Vater, entschließt sich nach langem innerem Ringen eine Menge Geld zu bezahlen, soviel, dass seine eigenen ehrgeizigen Berufspläne zunichte gemacht werden. Der Entführer kriegt zwar das Geld, wird aber solange gejagt, bis er, nachdem er seine zwei Komplizen ermordet hat, gefasst und schließlich hingerichtet wird. Eine einfache Geschichte, in zwei Teilen erzählt. Der erste trägt sich in Herrn Gondos Villa zu, hoch oben auf einem Hügel über der Stadt, die lärmend und dunstig im Hintergrund ausgebreitet vor sich hinbrütet. Herr Gondo hat soeben den Coup seines Lebens gelandet, ein dickes Aktienpaket und damit Majorität eines großen Schuhhandels erworben. Wie aufs Stichwort meldet sich der Entführer und stürzt den harten Geschäftsmann in einen tiefen Gewissenskonflikt. Wenn er zahlt, ist er praktisch ruiniert und aus dem Rennen. Wenn er nicht zahlt, würde sein Fahrer, der Vater des entführten Jungen, ihm ebenso wenig verzeihen wie seine Frau, die ihm zuredet. Zuerst weigert er sich noch, doch nach einer durchzechten Nacht ändert er dann doch seine Meinung und kooperiert mit der Polizei. Die Übergabe des Geldes bildet auch den dramaturgischen Umschwung des Films: Nach der theaterhaften, statischen, räumlich strikt begrenzten ersten Stunde bricht Kurosawa nun doch noch in rasante Bewegung aus. In einem Zug spielt sich die spannende Übergabe ab, rasant auf engstem Raum gefilmt, und von da fällt der Film in einen stetigen, rastlosen Rhythmus, den er erst ganz zum Schluss wieder ablegen wird. Detailliert und geduldig wird nun in der zweiten guten Stunde die Suche der Polizei nach dem Entführer geschildert, und man kann sich besonders hier Ed McBains Handschrift gut vergegenwärtigen, denn dem lag ja auch die alltäglich, harte und mühsame Kleinarbeit eher am Herzen als die große Action. Auf die verzichtet Kurosawa denn auch fast völlig, was aber der zunehmenden Spannung er Erzählung keinen Abbruch tut. Gemeinsam mit den Polizisten wühlt man sich immer tiefer in den Dschungel der Riesenstadt Yokohama hinein, steigt herab von den Hügeln der Wohlhabenden hin in die engen verschlungenen Straßen, in überhitzte Tanzlokale, stickige Opiumhöhlen, stinkenden Müllhalden, überfüllte Krankenhäuser. Das fieberhafte treiben, das Tempo der Autos und der unentwegt sich bewegenden Menschen wird perfekt aufgenommen und verdichtet sich zunehmend, je enger sich der Ring um den Verbrecher zusammenzieht. Dabei stehen die Beamten weniger als individueller Charaktere im Vordergrund, sondern eher als Profis, die ihrem Job nachgehen. Auch Mifune als Gondo, der im zweiten Teil weniger präsent ist, hat nicht wie sonst die Gelegenheit zu seinen explosiven Ausbrüchen, sondern spielt lediglich die wichtigsten Akzente seines Charakters aus. Die disziplinierte, rationelle Vortragsweise unterscheidet den Film doch von einigen anderen dieses Regisseurs, der zwar nicht gerade ein soziologisch fundiertes Profil einer städtischen Gesellschaft vorlegt, aber auf seien prägnante Weise die Vertikale der Hierarchie offenlegt: Die da oben und die hier unten, wenn man die Perspektive des Entführers einnehmen wollte. Der erzählt zuletzt, kurz vor seiner Exekution (über die Todesstrafe an sich verliert Kurosawa kein Wort) die Möglichkeit, seine Motive zu erklären. Noch einmal schreit er Gondo seinen ganzen hass entgegen, den Neid desjenigen, der immer nur unten in der Hölle gelebt hat, hinaufschauen musste nach oben zu der Villa auf dem Hügel, im Himmel. Aber sein versuch, dorthin zu gelangen, hat ihm klargemacht, dass man die Plätze nicht tauschen kann. Gondo hat schon wieder eine kleine Firma laufen, und der Mann aus der Hölle bleibt in selbiger. Diese Ordnung ist ein für allemal festgelegt, ein Entrinnen scheint es nicht zu geben. Das ist in etwa die bittere Lektion, die bei diesem Film abfällt., der sich aber auch sonst als Krimi bestens konsumieren lässt, vorausgesetzt, man hat etwas Sitzfleisch und muss nicht alle paar Sekunden ein Massaker sehen. (8.3.)