"Abel" (#) von Alex van Warmerdam. Holland, 1986. Alex van Warmerdam, Henri Garcin, Olga Zuiderhoek, Annet Malherbe

Abel und seine Familie sind die Vorgänger der "Noorderlinge", derer sich van Warmerdam ja in jüngerer Zeit angenommen hat, und sie sind außerdem Typen, wie sie todsicher nur die Holländer erfinden können, nationale Stereotypen hin oder her. Man lebt in einem Wohnblock irgendwo in einer Reißbrettstadt mit schön künstlichem Ausblick. Paps ernährt die Familie, wofür er täglich ein Viergängemenu sowie das Recht auf eine junge, fruchtbare Geliebte beansprucht. Den Sohn verachtet er und liefert sich mit Vorliebe giftige Wortgefechte bei Tisch. Muttern hält alles zusammen, fügt sich in ihr Los und behütet ihren Sohnemann. Der ist über dreißig und hat noch nichts von der Außenwelt gesehen, vom TV nicht zu reden. Er versucht, Fliegen im Flug zu zerschnippeln, schleudert Wurfpfeile auf Pappfrauen und lehnt Ausflüge ans Meer ab, weil genetisch gestörte Jäger mit Schlingfallen unterwegs sein könnten. Elterliche Versuche, ihn mit Hilfe einiger Quacksalber oder sogar einer Frau aufzutauen, scheitern. Erst als Paps die Nerven verliert und ihn achtkantig rauswirft, kommen die Dinge ins Rollen. Aber leider geht dem guten Herrn van Warmerdam exakt an diesem Punkt auch so ein bißchen die Puste aus: Hatten wir uns bis hierher bestens vergnügt mit diesen skurrilen Grottentierchen in ihrem Kleinbürgerbiotop und ihren diversen Macken, so entwickelt sich hernach die Handlung zu einer Eifersuchts- und Erotikfarce. Abel flüchtet sich nämlich just zu Vatis Mätresse, und bis schlußendlich alle Fäden entwickelt und klare Verhältnisse geschaffen sind (und Abel endlich seine Fliege erwischt hat), vergeht eine zu lange Zeit mit zu wenigen guten Gags. Das ist halt genau das Problem, wenn ein Film mit einem wahren Feuerwerk an tollen Einfällen loslegt, so wie hier. Über eine Distanz von hundert Minuten hat das noch kaum einer wirklich geschafft, und auch der hier packt's nicht, leider. Immerhin kann man sich über eine hinreißende erste Stunde freuen, die dunklen, aberwitzigen, grotesken holländischen Humor vom allerfeinsten enthält, und letztlich auch dafür sorgt, daß man die Restzeit halbwegs gut gelaunt übersteht und sich am Schluß noch an die vielen schönen Szenen vom Anfang erinnern kann. (10.7.)