"Casino" (#) von Martin Scorsese. USA, 1994. Robert de Niro, Sharon Stone, Joe Pesci

Eine Geschichte von Aufstieg und Fall, von Erfolg und Niederlage, von Freundschaft und Verrat, von Liebe und Gewalt, kurz die Geschichte Amerikas, diesmal zur Abwechslung mal am Beispiel von Las Vegas vorgeführt. Natürlich geht es ums Glückspiel im großen Stil, um die Abzocker hinter den dicken verspiegelten Wänden, es geht um die Bosse, die noch weiter im Hintergrund sitzen, um die Familienclans, die ihre Claims verteidigen, es geht um die kleinen Schläger vorn an der Front und um die Glitzerfrauen, die nach ihrem Kuchenstückchen schnappen. Eigentlich aber geht es nur um eins: Ums Geld. Geld macht alles möglich und käuflich, Geld regiert die Stadt, den Staat, das Land und die ganze Welt ja sowieso. Geld besticht Senatoren, beschafft Aufträge, Lizenzen, Genehmigungen, Geld heuert Killer an, beseitigt Feinde und solche, die es noch werden könnten, Geld hält Freunde bei der Stange, Geld kauft Frauen und wirbt sie auch wieder ab, Geld heizt die Gier ins Maßlose an und ruiniert und vernichtet. Scorsese hat eine sehr elegante, geistvolle und beißend ironische erste halbe Stunde darauf verwandt, den ewigen Kreislauf des Geldes in dieser Gesellschaft zu karikieren, eine virtuose, musikalisch flüssige Montage, in der die beiden Hauptpersonen, Ace und Nick, davon berichten, wie man in Las Vegas nach oben kommt und was der Preis dafür ist, oben zu bleiben. Als Ace sich dann in Sharon Stone verguckt weiß man, daß dies ein nicht gutzumachender Fehler ist, ahnt man, daß er nun bereits auf dem absteigenden Ast hockt. Aus Ace und Nick, einst zwei engen Freunden, werden im Lauf der Zeit Gegner. Ace ist der Geschäftemacher, Nick der Mann fürs Grobe. Der räumt zwar alle Hindernisse aus dem Weg, kann aber am Ende nicht so gut lavieren und taktieren, weswegen Ace überlebt und er als zermatschter Fleischklumpen in einem Maisfeld verscharrt wird. Ace darf dann die Bilanz dieser Chronik ziehen. Es ist alles nur Business, so oder so. Hört sich einfach an, ist auch so, und ist seinen besseren Momenten trägt Scorsese dieser zynisch simplen Moral Rechnung mit einer pointierten Inszenierung, die die Ereignisse einfach so vorüberfließen, ineinanderlaufen läßt, ganz so, wie die Zeit verstreicht, und ganz so, als sei dies alles nichts Besonderes. Dann aber baut er auch Gewaltausbrüche ein, bei denen sich selbst hartgesottene Kinogänger mit Grausen abwenden. Das macht er immer dann, wenn er Realismus mit purer Effekthascherei verwechselt, und leider ist das in vielen seiner Filme der Fall, besonders in seinen Mafiageschichten. In mir erzeugen solche Momente eine gewisse Abwehrhaltung, die mich daran hindert, den Restgehalt des Films noch objektiv bewerten zu wollen. Meine Magennerven rebellieren, und irgendwie fühle ich mich schlecht behandelt. Als Ganzes gesehen hat "Casino" durchaus seine starken Seiten, wie erwähnt, und de Niro und Pesci geben auch gute Routineausgaben ihres Standardrepertoires ab, aber Scorseses noch immer flammendes Temperament, das er bekanntlich sehr eindrucksvoll zu nutzen weiß, führt regelmäßig zu Exzessen, die mir die Laune verhageln und dazu geführt haben, daß einer der sicherlich eigenwilligsten und markantesten US-Regisseure für meinen Geschmack nur ganz wenig wirklich rundum gelungene Filme gemacht hat. (14.9.)