"Clockers" (#) von Spike Lee. USA, 1995. Delroy Lindo, Mekhi Phifer, Isaiah Washington, Harvey Keitel, John Turturro

Neues aus dem Ghetto: Da leben zwei schwarze Brüder, der eine, Victor, eigentlich ganz ehrbar, der andere, Strike, in einer organisierten Gang als Clocker (Dealer) und immer hart am Rande des totalen Absturzes. Ein Mann wird erschossen, und die Polizei glaubt Victor, der sich selbst bezichtigt, nicht, daß er es war, sondern ist hinter Strike her. Aber Victor war's am Ende wohl doch, und der weiße Cop muß Strike in einen Zug ganz weit weg nach Westen setzen, weil er ihn als Spitzel bloßgestellt hatte, und Strike auf den Straßen keine Stunde mehr zu leben hätte.

 

In diesem vorerst letzten Kapitel aus Brooklyn behandelt Spike Lee bekannte Themen, allen voran den tödlichen Kreislauf der Gewalt, der sich nicht durchbrechen läßt und der von Generation zu Generation weitergereicht wird. Die Polizei reagiert mit hilfloser Brutalität oder finsterem Zynismus, zählt die Toten, führt willkürliche Razzien durch und hofft ansonsten, daß sich die Nigger gegenseitig liquidieren und somit das Problem eines schönen Tages selbst aus der Welt geschafft haben werden. Die Gewalt auf den Straßen ist allgegenwärtig: In der Titelsequenz, die zugleich die beste des gesamten Films ist, montiert Lee furchtbare Bilder zerschossener Menschen und Graffitis an Häuserwänden, die die Grausamkeit dieses Lebens reflektieren, Kinder, die mit großen Kalibern hantieren, schrille Karikaturen dessen, was sich in der Umgebung tagtäglich abspielt. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte gelingen Lee immer mal wieder packende, ausdrucksstarke Szenen, und gegen seinen ausdrucksstarken, persönlich engagierten, humanitären Appell wird wohl niemand etwas sagen wollen. Doch wie die meisten seiner Filme leidet auch dieser unter Längen, unter einem manchmal unangenehmen Hang zum Pathos und Melodrama, was sich gerade für einen Ghettofilm etwas deplaziert ausnimmt. Die Familiengeschichte von Schuld, Sühne und Blutsbande greift auf klassische Muster zurück und deutet auf eine Anlehnung an typisch amerikanische Erzähltraditionen, die ich persönlich nicht so sehr mag. Das arg blumig geratene und zudem überraschend positiv getönte Ende zeigt Ausbruch und Vergebung, suggeriert scheinbar Lösungen, die sich real so wohl nicht oder nur höchst selten bieten werden. Daß er seine Absichten mit Gefühl und Leidenschaft vermittelt, ist eine Sache und bestimmt eine sehr positive. Aber leider überschreitet er zu oft die Grenzen des passenden Tons und gerät häufiger ins langatmige Schwafeln, was man eigentlich nur aus seinen ersten zwei Filmen nicht kennt. Unbefriedigend sind auch die Charaktere der beiden Cops: Keitel spielt routiniert den scheinbar rauhen, aber im Kern gutherzigen, der zwar viel 'fuck' sagt, aber eigentlich doch nicht so ist, und Turturro hat kaum Möglichkeiten zur Entfaltung, was besonders schade ist. Alles in allem ein typischer Spike-Lee-Film der letzten Zeit: Sympathisch in der Aussage, in Ansätzen packend, aber dann doch viel zu sehr am Mainstream orientiert und in der Form letztlich nicht konsequent genug. (10.12.)