"Confessional" (#) von Robert Lepage. Kanada/Frankreich, 1995. Lothaire Bluteau, Patrick Goyette, Jean-Louis Milette, Ron Burrage, Kristin Scott-Thomas

Spurensuche in Québec zwischen 1952 und 1989: Marc sucht seinen Vater, irrt derweil als Stricher durch Nobelhotels und billige Sexbars, bis ihm sein Adoptivbruder Pierre zu Hilfe kommt, dessen Familie ihn einst aufgenommen hatte, weil seine Mutter, ein sechzehnjähriges Mädchen, den Namen des Vaters nicht preisgeben wollte und statt dessen Selbstmord verübte. Erinnerungen und Assoziationen aus der Gegenwart verkomplizieren das Puzzlespiel, und dann war da ja auch noch Alfred Hitchcock, der just in dem Schicksalsjahr, da Marc und Pierre geboren wurden, in Québec seinen Film "I confess" drehte. Am Ende findet Pierre heraus, daß sein Vater auch Marcs Vater war, sich einfach an der hübschen Schwester seiner Gattin vergangen hat. Marc hingegen setzt die suizidäre Familientradition fort und macht im fernen Japan Harakiri oder so.

 

Obwohl ich wirklich wild entschlossen war, den Film spannend und interessant zu finden, ist mir das nicht gelungen. Wenn man nach einer halben Stunde Kino anfängt, auf dem Sitz herumzurutschen und sich wieder mehr den Nachbarn zuzuwenden, dann stimmt was nicht mit dem Film. Bei dem hier ist es für mich klar: Er ist äußerst schleppend, um nicht zu sagen schlecht inszeniert, er kommt schlicht und einfach nicht auf den Punkt. Eine vermeintlich vielsagende Szene reiht sich an die andere, kunstvolle Schnitte, elegante Überleitungen zwischen den Zeitebenen, nette Bild- und Farbeffekte sollen uns wahrscheinlich beeindrucken, doch hilft alles künstlerische Beiwerk nicht, wenn es mit der Dramaturgie hapert und die ist über weite Strecken nicht existent. Zwischen allerlei psychologischen Klischees, düsteren Andeutungen, plötzlichen Schnitten und fließenden Zeitwechseln wird uns ein fesselndes Suchspiel mit Tiefgang versprochen, aber es bleibt halt bei den Versprechungen. Die ganze Sache mit den Hitchcock-Dreharbeiten wird derart feierlich und pompös aufgebauscht, daß man nun wirklich etwas besonderes erwartet, bis zum Schluß auf eine Pointe hofft, eine Erklärung, warum sie überhaupt in dem Film sind, aber es passiert gar nichts in der Richtung. Lepage ist vielleicht ein Hitchcockfan, einige Bildzitate deuten darauf hin, und hat sich gedacht, diese Episode als Gag, als Hommage einzubauen, aber er macht mir als Zuschauer zuviel Appetit, als daß ich mich mit dieser simpelsten aller Lösungen zufrieden geben kann. Ich war enttäuscht und empfand es als billigen Bluff. Auch Lothaire Bluteau enttäuscht, er spielt phlegmatisch, ausdruckslos, geht allgemein in der eitlen Gestaltung unter, die hier deutlich im Vordergrund steht. Aber ein paar schicke Bilder und Tricks machen noch keinen guten Film, zumal dann nicht, wenn es keinen gibt, der sie zu einem organischen, straffen, spannenden Ganzen fügen kann. Und genau dies ist hier nicht geschehen. Ich halt mich da lieber an das Original, und obwohl "I confess" alles andere als eine Krone in Sir Alfies Werk ist, ist er doch allemal unterhaltsamer als dieser krampfige Kunstversuch der 90er. (20.4.)