"Dead Man" (#) von Jim Jarmusch. USA, 1995. Johnny Depp, Gary Farmer, Lance Henriksen, Michael Wincott, Robert Mitchum, John Hurt, Alfred Molina, Iggy Pop

William Blake kommt aus Cleveland extra in das letzte Schlammloch am Ende der Bahnlinie im Westen, um einen Job bei Bob Mitchum anzunehmen, aber ehe er ein Gedicht aufsagen kann, wird er bereits als Doppelmörder gesucht, hat drei skurrile Killer am Hals und einen nicht weniger skurrilen Indianer als Lebensretter. Am Schluß wird er zwar, wie die meisten der Beteiligten auch, vermutlich sterben, doch tut er dies in feierlichem Aufzug in einem Kanu auf die offene See treibend, dorthin, wo alle Geister der Menschheit ihr Zuhause haben. Jim Jarmuschs lakonisch-ironische Westernballade besticht in erster Linie durch Robby Müllers glänzende Schwarzweißfotografie, die genau wie der Regisseur mit den stereotypen Genreklischees arbeitet, um ihnen dann doch noch neue und schöne poetische Aspekte abzugewinnen. Jarmusch hat sich ein paar typische Situationen herausgepickt - das Greenhorn im Wilden Westen, die Jagd auf den Killer, die nächtlichen Lagerfeuer, die lange Odyssee durch ein wüstes Land undsoweiter - und diese mit Witz und manchmal leider auch recht rabiater Brutalität in sein eigenes verschrobenes Weltbild eingefügt. Es geht wie immer um Menschen, die unbeirrt und ohne sich darum zu kümmern, ob sie irgendwo anecken, ihren Weg gehen, ihre Träume auszuleben versuchen und sich in einer engen, von kleinkarierten Regeln beherrschten Welt eine Nische der Individualität schaffen möchten. Die Indianer Niemand ist so jemand. Er hält Blake für die Reinkarnation des englischen Dichters, auf dessen Werke er im Laufe seines bewegten Lebens gestoßen ist und dem er nun die letzte Ruhe geben möchte. Sein Stamm hat ihm seine Geschichten nie geglaubt, ihn verspottet und ihn wie einen Außenseiter behandelt, der er auch mit vollem Selbstbewußtsein geworden ist, ein echter Outlaw à la Jarmusch. Blake als Killer wider Willen und Opfer des Fanatismus' anderer ist neben ihm eine eher blasse Figur, so daß Johnny Depp nicht wesentlich mehr zu tun hat, als fotogen zu sein, was ihm natürlich nicht schwer gefallen ist. Die drei Killer, die von Mitchum auf den Weg geschickt werden, sind dagegen ausgesprochen köstlich und sorgen für viel Spaß, der, wie schon erwähnt, immer wieder durch unerfreuliche Grausamkeiten relativiert wird, was meistens nicht gerade nötig war. Doch der kauzige Humor, die wunderbare optische Poesie und Neil Youngs einsam grollende und melodiös dröhnende Gitarre sind vorzeigbare Qualitäten eines originellen und wirklich sehenswerten Films, der mal nicht unter dem Prädikat 'Kult' zusammengebrochen ist, sondern Jarmusch auch noch als souveränen Handwerker und Geschichtenerzähler zeigt, weshalb meine leisen Vorbehalte auch nicht bestätigt wurden. Welch seltenes Glück! (15.1.)