"Le Hussard sur le toit" (Der Husar auf dem Dach) von Jean-Paul Rappeneau. Frankreich, 1995. Olivier Martinez, Juliette Binoche, Jean Yanne, Pierre Arditi, François Cluzet, Jacques Weber, Gérard Depardieu, Claudio Amendola
Es war höchste Zeit, daß Jean Gionos wunderbares Romanwerk endlich auch mal für die neuere Leinwand erschlossen wurde. Jene einzigartige Mischung aus mythisch-archaischen Erzählungen, hymnischen Liebeserklärungen an die Provence und tief poetischen Naturschilderungen verbunden mit oft abenteuerlichen Geschichten scheint für einen Regisseur wie Rappeneau gerade richtig zu sein, zumal der mit seinem "Cyrano" ja eindrucksvoll bewiesen hat, wie glänzend er schwungvolle Unterhaltung und literarische Ambitionen verknüpfen kann. Die beiden Filme bieten sich auf den ersten Blick natürlich zum Vergleich an, beide erzählen Abenteuer in historischen Kostümen (diesmal geht es um eine Choleraepidemie im mittleren neunzehnten Jahrhundert, den italienisch-österreichischen Befreiungskrieg und die daraus resultierenden Verwicklungen), doch während "Cyrano" mehr dem gesprochenen Wort zugeneigt ist, gehört der Husar einzig und allein den Bildern. Und die sind in der Tat schier überwältigend: Provencalische Impressionen für Genießer und Ästheten, flimmernde Lichtspiele, leuchtende Landschaftsmalerei und schöne kleine Dörfchen in grandioser Umgebung. Die etwas zu plakativ und dekorativ arrangierten Choleraleichen sorgen zwar für einige drastische Zwischenspiele, werden aber dann immer wieder von der Pracht der Aufnahmen zugedeckt. Drumherum trägt sich dann eine leider etwas zu konventionelle Handlung zu: Unser Held, ein italienischer Sohn aus gutem, patriotischem Hause, wird auch im provencalischen Exil von den feindlichen Häschern gejagt und schlägt sich nun zwischen ihnen und der überall wütenden Krankheit durch. Unterwegs gabelt er eine schöne junge Dame auf und besteht mit ihr jede Menge gefährlicher Prüfungen, bevor sie zu ihrem betagten Mann und er zur Mama nach Turin zurückkehrt. Aber auf Dauer werden sie sich wohl kriegen. Rappeneau hat dies ein bißchen zu episodisch und stürmisch angefangen, rastlos hetzt man von einer Situation in die nächste, es geht fast ohne Pause weiter und weiter voran und diese schiere Häufung von Erlebnissen und Sensationen wirkt mit der Zeit irgendwie lieblos. Auch die beiden Hauptdarsteller bereiten mir Probleme: Olivier Martinez ist hauptsächlich schön, aber von der Art, die mich zumindest unberührt läßt. Weder seine Darstellung noch seine Rolle können es an Witz, Charisma oder Charme annähernd mit Depardieus Cyrano aufnehmen. Er bleibt blaß, stets in Aktion, ein forscher Edelmann, der immer alles richtig macht und jede Krise souverän meistert. Juliette Binoche ist eine dieser Schauspielerinnen, deren bloßes Erscheinen jeden Film adelt, doch für die Rolle des Fräuleins in Bedrängnis ist sie zu herb, zu ernst, zu introvertiert. Sie hätte viel mehr verdient als eine jener Heldinnen, die zwar emanzipiert sein möchten, letztlich aber doch bei jeder Gelegenheit vom Helden gerettet werden müssen, weil sie es allein nicht packen. Gerade im Zusammensein der beiden wird deutlich, wieviel mehr an Persönlichkeit und Kraft die Binoche einzubringen hat und von daher hätte man ihr auch noch einen angemesseneren Partner gewünscht. Die anderen prominenten Darsteller haben ihrerseits wenig Zeit, sich zu entfalten, weil sie allzu rasch wieder aus der Handlung verschwinden, was auch schade ist. Sei's drum, der Film bietet sicherlich zwei Stunden lang beschwingte Unterhaltung ohne viel Tiefgang, dafür mit einer fast beispiellosen Optik. Wem dies für den Moment genügt, wird voll auf seine/ihre Kosten kommen, wer allerdings einen gleichwertigen Nachfolger von Cyrano erwartet hatte, ganz egal ob solche Vergleiche fair sind oder nicht, wird wohl doch ein wenig enttäuscht sein. (20.1.)