"Jeffrey" (#) von Christopher Ashley. USA, 1995. Steven Weber, Michael T. Weiss, Patrick Stewart, Bryan Batt, Irma St. Paule, Sigourney Weaver
Als Jeffrey eines schönen Tages den Aids-Horror kriegt und beschließt, ein für allemal dem Sex zu entsagen, stöhnen seine Freunde aus der New Yorker Szenen nur gequält auf und wollen ihn am liebsten mit Steve verkuppeln. Den hat Jeffrey auch schon ins Auge gefaßt, aber erstens ringt er mit seinem Schwur, und zweitens ist Steve HIV-positiv, womit der gute Jeff erstmal gar nicht umgehen kann. Es muß erst ein naher Freund sterben und ihm als Engel klarmachen, daß man die Krankheit und nicht das Leben hassen soll, bis er sich aufrafft, den schönen Steve doch noch an Land zu ziehen.
Fast schon eine Komödie über Liebe, Sex, Schwule und Aids in NYC, aber dabei doch ein Film, der an den richtigen Stellen verdammt ernst wird, und dem niemand vorzuwerfen braucht, er verharmlose da irgendwas. Nur nähert er sich seinem Thema halt extrem schwungvoll und dazu noch ganz schön einfallsreich. Fast ständig passiert was, das unsere Heiterkeit oder unser Staunen erregt: Die Schauspieler, die mit enormem Spaß bei der Sache sind, korrespondieren direkt mit dem Publikum, jäh werden Fantasien, Träume und Alpträume eingeschnitten, es gibt geniale Parodien auf Gameshows und TV-Evangelistinnen (Miss Weaver in einer tollen Kurznummer), Musicalelemente und vermeintliche Publikumsreaktionen auf schwule Liebesszenen werden eingebaut, und Mutter Teresa kommt zu ganz neuen Ehren, nämlich als Schutzheilige bedrängter Schwuler. Die Szene wird temperament- und liebevoll gefeiert, die große Parade im Central Park gibt Gelegenheit zu schrillen Selbstinszenierungen, genüßliche Selbstironie und Provokation vermischen sich, und alles in allem wird klargemacht, daß der größte Fehler, den die Leute im Zeitalter von Aids überhaupt machen können, der ist, aus Panik auf alle Solidarität und Gefühle zu verzichten, so als könne man so auf Nummer sicher gehen. Jeffrey kapiert, daß er sich den Problemen nicht entziehen kann, wenn er Mitglied der Gemeinschaft bleiben will, daß er nicht tun kann, als ginge ihn dies alles nichts an und er könne einfach so nach Wisconsin ausreißen, weit genug weg von New York eben. Sowohl die Lacher als auch die Betroffenheit des Publikums kommen ganz natürlich und ohne große Anstrengungen, alles wirkt sehr locker, spontan, natürlich auf eine besondere Aussage bedacht, aber dabei ungeheuer sympathisch und vor allem sehr witzig. Wer sagt's denn - beste Unterhaltung und dazu auch noch mit Tiefgang. (9.6.)