"Kansas City" (#) von Robert Altman. USA, 1995. Jennifer Jason Leigh, Miranda Richardson, Harry Belafonte, Dermot Mulroney, Michael Murphy, Steve Buscemi

Blondie entführt Caroline, die Gattin eines einflußreichen Lokalpolitikers, um mit dessen Hilfe ihren Johnny aus der Klemme zu befreien, denn Johnny hat sich mit der Gang eines schwarzen Jazz- und Spielclubbesitzers angelegt, und das war doch eine Nummer zu groß für ihn. Die Geschichte geht nicht gut aus: Johnny kommt zwar noch nach Hause, aber er liegt bereits im Sterben, und Blondie kriegt von Caroline eine Kugel in den Kopf geschossen. Parallel dazu ziehen sich zwei durchlaufende Handlungsfäden durch den Film: Es ist Wahltag, und drumherum spielen sich allerhand manipulative Aktionen ab. Und im Hey-Hey Club zelebriert ein Haufen Jazzer eine rauschende, mehrtägige Session. Man sieht daran, daß Altman auch ein Stimmungsbild aus den dreißiger Jahren vermitteln wollte. Roosevelt ist seit zwei Jahren oder so Präsident, der Wirtschaft geht's nicht gerade gold, aber Politiker und Spieler machen wie immer ihr Geschäft. Blondie und Johnny erinnern ein wenig an Keechie und Bowie aus "Thieves like us", denn auch sie legen sich eher aus Einfältigkeit denn Mut oder gar Klugheit mit übermächtigen Gegnern an, zwei trashige, arme Weiße, die dann verzweifelt bzw. tot enden. Blondie liebt Jean Harlow und Joan Crawford und saugt sich im Kino mit Hollywoods Mythen für den kleinen Mann voll. Sie erfaßt die Tragweite von Johnnys Problem zu keiner Zeit, und scheint auch nie daran zu zweifeln, daß sie und Johnny heil aus der Sache herauskommen werden, was nicht nur grenzenlos naiv ist, sondern auch zeigt, wie wenig sie von den Verhältnissen zu wissen scheint. Caroline dagegen ist eine frustrierte, drogenabhängige Frau im goldenen Käfig, die wie in Trance durch die Geschichte stolpert, nie versteht, was eigentlich los ist, und nur zum Schluß die Initiative übernimmt. Ihr Mord an Blondie könnte unterschiedlich interpretiert werden, zum Beispiel auch als Gnadenakt, denn Blondie kann und will ohne Johnny nicht leben und fleht den Sterbenden an, sie nicht zu verlassen. Aber da Altman eigentlich ein durch und durch ironischer Regisseur ist, glaube ich nicht so recht an diese Variante, sondern eher daran, daß Caroline aus Langeweile und vielleicht einem dumpfen Empörungsgefühl gehandelt hat. Danach steigt sie zu ihrem Mann in den Wagen und läßt irgendeine völlig banale Bemerkung fallen, und man weiß, daß die brutale Gewaltszene sie in keiner Form berührt hat. Sie verkörpert die wohlhabendere Version Blondies, sie lebt nicht von Kunstfiguren, sondern von Luxusdrogen, aber sie lebt ebensowenig in die realen Welt wie die andere. Altman porträtiert die beiden Frauen nicht ganz ohne Mitgefühl oder Tiefgang, aber er geht im entscheidenden Moment auf klare Distanz - auch hierin liegt eine Parallele zu "Thieves like us". Der Film verfolgt die zunehmend grotesker werdende Entführung und schneidet Episoden von der Wahl und aus dem Jazzclub nach bewährter Manier dazwischen. Pointierter Witz, gelungen gestalteter Zeitkolorit, sensationell gute Musik und die üblichen patzigen Altmankommentare zum Thema Amerika, soll heißen Dummheit, Gewalt, Korruption, zeichnen ihn aus. Die Schauspieler sind diesmal nicht so homogen wie gewohnt. Belafonte ist brillant und höchst amüsant in seinem unentwegten Monolog, in dem er sich über Weiß und Schwarz im Allgemeinen wie im Besonderen, und mit Genuß über Marcus Garvey und seine merkwürdigen Afrikaträume ausläßt. Ein Gangster, ein Spieler, ein Realist, der genau weiß, daß der Platz der Schwarzen hier in den Ghettos und Clubs ist, und nicht irgendwo zurück im Urwald. Miranda Richardson bringt die schlafwandelnde Politikergattin auch gut rüber, aber Jennifer Jason Leigh bietet doch eine etwas unverständliche, comichaft verzerrte Darstellung, die wahrscheinlich eine Harlowhommage sein soll, aber eigentlich nur aus einer grimmigen Gesichtsmaske und skurrilen Grimassen mit dem Mund besteht. Vielleicht verfolgte Altman damit eine Absicht, die mir dann leider entgangen ist. Aber sonst ist dieser neue Film bestens unterhaltsam, erst recht natürlich für Jazzfans, die hier wirklich ein paar Sternstunden vorgeführt bekommen. (16.10.)