"Mon homme" (Mein Mann) von Bertrand Blier. Frankreich, 1995. Anouk Grinberg, Gérard Lanvin, Valeria Bruni-Tedeschi, Olivier Martinez, Sabine Azéma
Krasse Männerphantasie oder bloß ein ehrlicher Gefühlsfilm? Plattes Chauvispektakel oder doch ein Film über eine starke Frau? Es wird wohl vom Temperament des/der einzelnen abhängen, wie die jeweiligen Antworten auf diese Fragen ausfallen, aber eins steht doch wohl fest, daß nämlich Herr Blier um einiges von seinen etwas pubertären Provofilmchen aus den Siebzigern abgerückt ist. Natürlich ist ihm klar, daß Sex und Geschlechterrollen nach wie vor heißes Thema Nummer eins sind, das galt schon für "Die Ausgebufften" vor zwanzig Jahren und das gilt auch heute noch. Wenn man also eine Nutte zeigt, die Spaß an ihrem Job hat, dort wirkliche Erfüllung findet, ihre Orgasmen nicht vortäuschen muß und sich auch nicht erniedrigt und ausgebeutet fühlt, riskiert man auch in den Neunzigern noch einigen Aufruhr. Wenn sich diese Nutte, Marie, dann noch einen Kerl aus der Gosse holt und ihn zu ihrem Macker macht, sich ihm ganz bewußt und mit Hingabe unterwirft, dann ist das natürlich jenseits aller politischen und sexuellen Correctness. Aber so einfach ist es eben doch nicht, denn wenn man genau hinschaut, ist Marie tatsächlich trotz ihrer oberflächlichen leiden der stärkste Charakter in diesem Film. Nicht ihr Macker Jeannot, der das häusliche Glück mit goldener Uhr und piekfeinem Anzug bald nicht mehr erträgt, fremd geht und die neue Geliebte ebenfalls auf den Strich schicken will. Auch nicht jene Geliebte, die ihr neues Schicksal nicht annehmen kann und zur Polizei rennt. Und auch nicht Maries späterer Ehemann und Vater ihrer Kinder, der keine Arbeit findet, sich aber niemals so weit herabwürdigen würde, wie seine Frau es tat und nun wieder tun will. Marie ist stark, weil sie ihr Leben und ihren Beruf liebt, weil sie allgemein die Menschen liebt und mit sich im reinen ist. Sie zweifelt nicht, die schwankt nicht, sie geht ihren Weg, auch wenn der nicht so ganz einfach und gerade ist. Eine schöne Rolle für Anouk Grinberg, die an Miou-Miou erinnert, eine ebenso bewegende und intensive Präsenz einbringt, und deren direkter Dialog mit dem Publikum sie uns zusätzlich nahe bringt. Blier lockert das Geschehen durch zeitliche Vorgriffe auf, läßt charmant-komische und ironisch-frivole Szenen einander abwechseln, nicht ohne hier und da einen irritierenden Schock unterzubringen, den man dann verdauen darf. Man braucht schon so seine Zeit, um dieses Macker-Mädchen-Gefasel richtig einzuordnen, oder zu erkennen, wie Blier selbst seine Sympathie und Anteilnahme verteilt, wo er persönlich steht, was er natürlich nicht so einfach preiszugeben gedenkt. Die letzte Viertelstunde gerät unerwartet düster. Nach dem eher lockeren Szenenreigen zuvor entwickelt sich unvermittelt das Bild einer weihnachtlich kalten, hartherzigen und egozentrischen Konsumgesellschaft, die keinen Blick und keine Zeit für die Bedürftigen hat. Maries Mann will im Einkaufsstrom betteln, wird aber nur zynisch abgespeist, und als Marie selbst wieder auf die Straße geht, muß sie erkennen, daß ihre Dienste nicht mehr wie früher respektiert und honoriert werden. Dann taucht Jeannot auf, auch er gezeichnet von Einsamkeit und Resignation und richtet jene Worte der Vergebung nicht nur an Marie, sondern an die Frauen allgemein, die man auch Blier in den Mund legen könnte, praktisch als Entschuldigung für den einen oder anderen Machoscherz, das eine oder andere Mißverständnis. Ein milde stimmender Schluß eines Film der Emotionen, mal zärtlich, mal grob, mal ironisch unterlaufen, mal mit radikaler Wucht. Gut gespielt, konsequent inszeniert, aber eigentlich nichts, was einen um seinen/ihren Schlaf bringen sollte. (2.7.)