"Nach fünf im Urwald" von Hans-Christian Schmid. BRD, 1995. Franka Potente, Axel Milberg, Dagmar Manzel, Farina Brock, Sibylle Canonica, Peter Ender, Thomas Schmauser, Natali Seelig
Nach fünf, so will es die Mär, sollte man nicht mehr in den Urwald gehen, weil dann die Elefanten Fallschirmspringen üben. Wer's doch tut, wie beispielsweise die Krokodile, holt sich ein plattes Maul.
Anna türmt eines Tages aus der bayerischen Provinz in die Metropole, weil Paps nach einer etwas ausschweifenden Geburtstagsfete und angesichts einer zerbrochenen Vinylrarität die Nerven verloren hat. In München erlebt Anna dann weniger die Verlockungen der Großstadtlichter als vielmehr die Versuche des männlichen Geschlechts, sie rumzukriegen: Der eine tut's auf die schleimige Künstlertour, der andere macht auf lieb und verständnisvoll. Und beim Casting fällt sie auch noch durch. Zurück nach Hause, heißt es da. Mom & Dad treffen derweil bei der Suche nach dem Töchterchen ein Ehepaar, das in ähnlichen Nöten ist. Man tut sich zusammen, macht aus der Not eine Tugend, und nach ein paar Fläschchen aus dem Weinkeller und einem gut gedrehten Joint dämmert die Einsicht, daß man selbst als Jugendlicher ja auch nicht viel anders war und genau die gleichen Kämpfchen durchzustehen hatte.
Ein für deutsche Verhältnisse ganz rares Filmchen voller Charme und Witz, eine Generationsgeschichte, wie sie vor allem die Franzosen beherrschen, wenn man an Filme mit Sophie Marceau, Charlotte Gainsbourg oder so zauberhafte Einzelstücke wie "Kleiner Spinner" oder Diane Kurys' "Ein Sommer an der See" denkt. Wie diese trifft auch Schmid genau den richtigen Ton zwischen allzu realistischen Details und liebevollen Überzeichnungen, die knapp vor der Karikatur haltmachen und stets auf der Seite sympathischer Ironie bleiben. Annas Nöte im Bemühen um eine eigene Identität in Abgrenzung von ihren etwas spießigen Eltern sind allgemeingültig und fast jedem bekannt. Daß sich viele der Wunschträume dann mehr oder weniger in Wohlgefallen und Enttäuschungen auflösen, gehört genauso dazu. Das merken irgendwann dann auch die Pappis und Mammis, als sie in weinseliger Nostalgie der frühen Siebziger schwelgen, als man auch mit Vatis VW durchbrannte, den ersten Sex auf dem Rücksitz hatte und Jimi Hendrix unter Einsatz des eigenen Lebens verteidigen mußte. All dies sind beileibe keine neuen Themen oder Einsichten, aber ich sehe sie immer wieder gern, zumal wenn sie so schön und komisch aufbereitet werden. Zwischendurch gibt's noch ein paar Kalauer und die köstlich altklugen Betrachtungen von Annas kleiner Schwester, die das närrische Treiben rundherum am liebsten aus der Distanz ihres Baumhauses analysiert und ihre Schlüsse einem Tagebuch mitteilt. Man merkt dem Film deutlich an, daß Schmid nicht auf billige Gags und Anbiederung um jeden Preis aus ist. Er nimmt sein Thema an sich durchaus ernst, gibt sich amüsiert und mitfühlend, ironisch aber nie zu distanziert und überlegen. Vielleicht denkt er an Selbsterlebtes, aber irgendwie steckt wohl von jedem von uns was da drin. Einer der schönsten deutschen Filme der letzten Jahre. (30.4.)