"Othello" (#) von Oliver Parker. USA, 1995. Laurence Fishburne, Irène Jacob, Kenneth Branagh, Nathaniel Parker
Olde Willie's gründlichste Studie über die schleichend-zersetzende Kraft der Einflüsterung und den unaufhaltsam sich steigernden Wahn der Eifersucht. Kenneth Branagh ist ideal als schmallippig-intrigantes Monster, als triebhafter, vor Haß und Neid sich verzehrender Ränkeschmied Jago, der zwar unter anderem auf Pöstchenjagd ist, zuerst und vor allem aber aus grimmiger Freude am Spiel daran geht, jedwedes Glück in seiner Umgebung zu vernichten. Im Vergleich zu Micheál MacLiammóir von 1952 wirkt er vielleicht nicht ganz so dämonisch und ursprünglich, eher etwas rationaler, doch Kenny bringt es dennoch spielend fertig, daß wir ihn nach zwei Minuten verabscheuen wie die Pest. Irène Jacob als Desdemona ist schön und zart und treu und rein, hat vielleicht etwas mehr Profil als Suzanne Clothier einst, doch ist ihre Rolle halt im Vergleich zu den Männern eher eindimensional, und daran hat auch dieser Film nicht viel geändert. Immerhin ist sie so präsent, daß man ihren Tod als größeren Verlust betrachtet, als noch im alten Film. Laurence Fishburne schließlich hat sicher nicht die darstellerische Präsenz eines Orson Welles, dafür jede Menge echt animalischen Sexappeal mit der coolen Glatze, den glitzernden Ohrringen und den tollen Gewändern, die sich sanft um seinen Luxusbody schmiegen. Jeden Moment erwartet man einen Gangstarap aus seinem Munde, doch nein, es bleiben die Worte des Barden, auch wenn sie um den ein oder anderen 'zeitgemäßen' Ausdruck ergänzt wurden. Im Dekor ist der Film traditionell, auch sonst unternahm Mr. Parker keinen Versuch einer waghalsigen Neuauslegung, höchstens die Erotik ist etwas offenherziger, die Fantasien und düsteren Andeutungen erscheinen nun leibhaftig im Bild, statt wie sonst nur in der Sprache. Wem das gefällt, gut. Es gibt da zwei sehr schöne Szenen im Dogenpalast und später auf Zypern, als sich Othello und Desdemona vor aller Augen leidenschaftlich küssen und stets ein Raunen durch die Zuschauer geht: Die provokante Körperlichkeit zwischen einer Weißen und einem Schwarzen wird hier schlaglichtartig deutlich und das ist ein gut getroffener Akzent, zumal sie auch eine zusätzliche Antriebsfeder für Jagos zerstörerische, rassistische, sexuell frustrierte Mißgunst ist. Die Konzentration auf das Private, auf das sich anbahnende und kunstvoll gesteigerte Drama zwischen den wenigen Hauptfiguren ist dem weiß Gott nicht irgendwie besonders originell oder herausragend gestalteten Film doch sehr gut gelungen, man ist berührt von den Emotionen, dem Verhängnis, der Leidenschaft und einigen schönen Bildern, die sich alles in allem aber nicht mit Welles' barocker Schwarzweißwelt messen können. Ein guter, unterhaltsamer, in einigen Teilen durchaus mitreißender Shakespearefilm mit einigen guten Schauspielern, und da ich bei "Richard III." ja über die permanente Modernisierung der klassischen Stücke moserte, kann ich mich hier logischerweise nicht gut über die konventionelle Machart beklagen, gelt. Also tu ich's auch nicht. (3.4.)