"Richard III." (#) von Richard Loncraine. England, 1995. Ian McKellen, Anette Bening, Robert Downey jr., Jim Broadbent, Adrian Dunbar, Maggie Smith, Nigel Hawthorne, John Wood
Shakespeares vielleicht grausamster und finsterster König, der letzte der Yorks (1483-85), der dann vom ersten Tudor besiegt wurde, als Karikatur eines faschistischen Tyrannen, irgendwo zwischen "Farm der Tiere", "Der große Diktator" und einem Mafiaepos angesiedelt und mit viel Lärm und Schwung auf die Leinwand geklotzt. Anders als sein Kollege Macbeth, der ja nebenher noch von allerlei unkontrollierbaren Mächten getrieben wurde, scheint Gloucester aus reiner Spaß an der Freud zu intrigieren, zu lügen, betrügen und zu morden, und jeden seiner Schachzüge kommentiert er händereibend mit hämischem Gegrinse. Bis er den verdienten Tod findet, hat er fast alle vermeintlichen Gegner, ob Frauen oder Kinder, rücksichtslos beseitigt, ein Terrorregime errichtet und sich als allmächtigen Herrscher installiert, vor dem sogar die Kirche kuscht. Eine psychisch ebenso wie physisch furchterregende Gestalt - abstoßend, monströs, heimtückisch und manchmal fast schon wieder auf anziehende Weise dämonisch. Eine im echten Sinne des Wortes zeitlose Verkörperung unbändigen Machtwillens, aber je lauter die Theater- und Filmregisseure diese Zeitlosigkeit betonen, desto weniger scheinen sie daran zu glauben, denn warum sonst sollte man uns eine Interpretation vorsetzen, die das Thema historisch so stark festlegt und dabei mit der Naziverbindung weiß Gott nichts Neues oder Originelles geschaffen hat. Natürlich ist dies eine von vielen legitimen Auslegungen, aber warum sich immer so festlegen, warum den guten Shakespeare nicht mal ganz schlicht und konzentriert vorführen, um dann dem Zuschauer zu überlassen, an welche Figuren und Regimes er sich dabei erinnert fühlt. (Denn natürlich fallen einem auch andere als nur Hitler ein, oder?) So überwiegt zu oft der materielle Aufwand, der Pomp, der sicherlich absichtsvoll eingesetzt wird, aber vor allem im letzten Viertel das gesprochene Wort völlig zudeckt im Kriegsgeheul und Kanonendonner. (Das Königreich für ein Pferd wirkt im Angesicht der Panzer zudem sehr lächerlich.) Immerhin bietet uns Ian McKellen eine vor allem in der physischen Präsenz sehr eindrucksvolle Soloshow (die stimmlichen Nuancen fallen leider der einmal mehr etwas flachen Synchronisation zum Opfer), ein buckliges, verunstaltetes Monstrum mit den verzerrten Gesichtszügen einer Figur hart am Rande der Ernsthaftigkeit, aber auch dies liegt sicherlich in der Absicht der Inszenierung. Der Rest der Crew ist ein Mix aus Hollywoodmainstream (Bening, Downey) und arrivierten britischen Theaterleuten, die die Statistenrollen mit markanten Gesichtern und nötiger Intensität gestalten. McKellen dominiert vollkommen, aber sein Vortrag ist so brillant und unterhaltsam, daß man wenigstens ihm gern zusieht. Insgesamt habe ich mal wieder gemerkt, daß ich eher konservativ bin, was Aufführungen klassischer Stücke angeht, oder zumindest mehr als skeptisch, wenn es um wilde Modernisierungen geht, die ich meistens für werkschädigend, oder zumindest für überflüssig halte. Der geneigte Konsument ist sehr oft selbst im Stande, Assoziationen und Verbindungen herzustellen, und kommt dabei ganz gut ohne diesen Holzhammer aus, der zudem schon manches Stück im Dienste einer einheitlichen Interpretation geglättet und vereinfacht hat. Dieser Film gehört zumindest teilweise in diese Schublade - er ist laut, pompös, bissig und ruppig, bietet aber einerseits nur ansatzweise das, was ich von einem Shakespearefilm eigentlich erhoffe und tut andererseits viel mehr, als nötig wäre. (18.3.)