"Trainspotting" (#) von Danny Boyle. England, 1995. Ewan McGregor, Ewen Bremner, Johnny Lee Miller, Robert Carlyle, Kevin McKidd, Kelly McDonald

Eine Gruppe Junkies in Edinburgh: Mal an der Nadel hängend (oder an der Flasche, wie Begbie der Schläger), mal davon runter, mal mit Girl und mal ohne, immer mit einem Fuß im Grab und dem anderen im Knast, aber dann auch wieder nicht mal von Mom und Dad abgenabelt. Renton weiß: Das normale Spießerleben bringt's nicht, die Versuchungen der elterlichen Konsumwelt kotzen ihn an, nur H kann ihm die absoluten Highlights geben, geiler als jeder Sex, und also scheißt er gehörig auf alles, was ihm bürgerlich, lahm und fett vorkommt. Als die Dinge Zuhause eskalieren und sich die Horrortrips mehren, bricht er aus nach London, um es auf eigene Faust zu versuchen. Doch die Jungs aus der Gang stöbern ihn auf und ziehen ihn in den Sog zurück. Nach einem großen Deal schnappt er sich dann kurzerhand die ganze Beute und macht sich erneut davon, diesmal mit dem festen Vorsatz, es mal als 'anständiger Mensch' zu probieren. Dieses letzte Statement, von grimmigem Grinsen begleitet, ist genauso zweideutig wie der ganze Film. Der möchte sicherlich erst mal ordentlich provozieren, und es hängt nun von der Sichtweise des einzelnen Konsumenten ab, wie das ankommt. Die einen stören sich an dem zynisch-distanzierten Spektakel, das Ekelszenen genüßlich ausspielt, um auf diese Weise den allseits guten Geschmack zu brüskieren, und des Öfteren nahe daran ist, Drogen auch noch schick und hip zu finden. Andere werden den Verzicht auf wohlfeile pädagogische Handreichungen und ebenso gutgemeinte wie banale Weltverbesserungsvorschläge anerkennen und außerdem finden, daß der psychedelische Stakkatostil eine gute Illustration der physischen und sozialen Folgen der Sucht ist. Daran ist nun nicht zu zweifeln - sicherlich hat Boyle einen kraftvollen, ausdrucksstarken und in seinen Mitteln absolut modernen und dem Thema angemessenen Film gemacht. Der Soundtrack ist auf dem neuesten Stand - zwischen Iggy Pop, Brit Pop und Techno - und die Schauspieler sind gut ausgewählt und in Bestform. Das Milieu, fernab von seliger schottische Highlandromantik und erschreckend tief im Dreck und Elend, wird mit wenigen Strichen prägnant und erschöpfend umrissen, und man kann eigentlich auch nicht ernsthaft behaupten, daß der Film den Heroinkonsum irgendwie romantisiere oder verharmlose. Das Schreckgespenst Aids nimmt reale Züge an, Begbies sinnlose, hilflose Brutalität und die Grauen eines Heroinentzugs lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und bedürfen keiner zusätzlichen Kommentare. Der Kontrast zwischen Rentons schwärmerischen Betrachtungen über Heroin und den für viele tödlichen Ereignissen wirkt um so drastischer, als Boyle die meisten Szenen mit seinem besonderen, bereits in "Shallow Grave" erprobten Humor ausstattet. Und hier habe ich doch meine Probleme, denn jenen Film mochte ich ob seiner Kälte und Gemeinheit nicht besonders, und eben jene Kälte, die sarkastische Distanz des Regisseurs zu den Figuren, fällt auch hier immer wieder auf, und ganz egal ob man das nun als adäquat und legitim auffassen mag, ich komme damit persönlich nicht so gut zurecht. Ab und zu habe ich so den Eindruck, als ergötze sich Boyle eitel und demonstrativ an fiesen Affronts, an der Mischung aus eruptiven Gewaltmomenten und fäkaler Groteske, so als wolle er dem kleinen Normalo mal so richtig was auf die Magengrube hauen. Aber gut. Der berüchtigte erhobene Zeigefinger, das nörgelnde, masochistische Lamento der älteren Generation fehlen, weshalb der Film sicherlich die Kids viel eher erreichen, ihrer Sprache und ihrer Sichtweise besser gerecht wird. Von daher folgt er auch nicht der Tradition der sozialkritischen Filme des Free Cinema, auch nicht der späteren Werke Ken Loachs oder Mike Leighs, er geht eigene Wege, erinnert manchmal an Kubricks "Uhrwerk Orange", gibt sich sperrig und grimmig. Man muß ihn nicht in jedem Moment mögen (ich jedenfalls mag ihn nicht in jedem Moment), aber zum Nachdenken und Diskutieren regt er bestimmt besser an, als so manche brave Sozialreportage der BBC. (23.8.)