"Kavas plivet karkaavat" (Wolken ziehen vorüber) von Aki Kaurismäki. Finnland, 1995. Kati Outinen, Kari Väänänen, Sakari Kuosmanen, Elina Salo, Markku Peltola
Die Geschichte von Ilona und Lauri, vom großen kleinen Glück, wie es in Sekundenschnelle zerbrach, und wie dann doch ein anderes, vielleicht noch größeres kleines Glück entsteht. Die resolute Oberkellnerin und der stolze, aber etwas weltfremde Straßenbahnschaffner in Helsinki im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, gegen das Fegefeuer der Erniedrigungen und auch gegen ihre eigene Entfremdung. Er versackt in Trübsal, Wodka und Hilflosigkeit, sie nimmt den Kampf als erste auf, erleidet aber auch Rückschläge, bis zur entscheidenden Idee, mit den alten, ebenfalls gefeuerten Kollegen als eigenes Restaurant zu eröffnen. Leicht wird es diesen beiden typischen Kaurismäki-Helden natürlich nicht gemacht, denn überall sind da die miesen kleinen Abzocker, und überall sind da auch die Herren mit Gelfrisur, Aktenköfferchen, Anzug und Handy, die immer nur tun, was sie tun müssen, und das ist meistens nicht gut für den kleinen Mann. Eine Liebeserklärung also an das Kleine gegen das Große, an das erwähnte kleine Glück, gegen die Grausamkeit der großen Welt, ihrer Geschäfte, ihrer Gnadenlosigkeit. Kaurismäki hat Ähnliches immer wieder formuliert, aber noch nie so gefühlvoll, zärtlich und fast optimistisch. Wo seine früheren Gestalten letztlich doch in arktischer Kälte und Einsamkeit versanken, wenn auch vielleicht nicht ohne jeden Hoffnungsschimmer, so darf's hier auch schon mal ein sonnig-schöner Herbsttag sein, mutet die finnische Tristesse nicht mehr ganz so ausweglos und düster an. An der Einsilbigkeit der Figuren hat sich indes nichts geändert, auch nicht am lakonischen, trockenen Humor und der umwerfend effektiven Art, in drei, vier Bildern eine ganze Geschichte zu erzählen. Die traurigen finnischen Tangos begleiten noch immer die Sprachlosigkeit des alltäglichen Miteinanders, die Kamera bewegt sich auch nicht mehr als nötig, aber in den Gesichtern von Kati Outinen und Kari Väänänen, zwei Wohlbekannten aus dem leider um eine zentrale Figur ärmer gewordenen Kaurismäki-Universum (aber dem Matti ist der Film natürlich gewidmet), spiegeln sich, auf minimalistische Weise wohlgemerkt, ungewohnt viel Wärme und Zuversicht, die den zähen Willen zum Durchhalten und zur Solidarität mit neuem Gefühl untermauern. So hübsch Kaurismäkis Ausflüge nach England, Frankreich und mit den Leningrad Cowboys gewesen sein mögen, ich bin eigentlich froh, daß er wieder zurück ist, denn man sieht ja so selten Bilder aus dem hohen Norden. Dies ist für meinen Geschmack, noch vor dem "Mädchen aus der Streichholzfabrik", sein schönster und bester Film bisher. (3.6.)