"Brassed Off" (#) von Mark Herman. England, 1996. Pete Postlethwaite, Ewan McGregor, Tara Fitzgerald, Sue Johnston, Stephen Tompkins

Im Kohlerevier um Grimley/Yorkshire ist Endzeit angesagt: Die Regierung Thatcher und die Industriebosse haben beschlossen, die Region sterben zu lassen, weil die Gruben angeblich nicht mehr genug Profit abwerfen. Viele Tausend Bergleute stehen vor dem Nichts und der sicheren Arbeitslosigkeit bis dorthinaus, weil die Gegend sonst nichts anzubieten hat. Während die meisten der bitteren Realität ins Auge sehen und sich den verzweifelten Scheingefechten der machtlosen Gewerkschaften aussetzen, stürzt sich Danny als Chef der örtlichen Blaskapelle in seinen Traum vom großen Finale in der Royal Albert Hall zu London, wo er die glorreiche Tradition der Grimley Colliery Band zum krönenden Abschluß führen will. Seine Besessenheit befremdet die anderen Musiker schon lange, doch niemand traut sich so recht, gegen ihn aufzubegehren. Eine junge Frau kommt ins Spiel, die zwar fabelhaft Flügelhorn spielt, aber für die Bosse Gutachten der Zechen erstellen soll. Sie spaltet die Band, die ohnehin die bevorstehende Schließung ihrer Zeche und damit auch das Ende der gemeinsamen Auftritte erwartet. Am Schluß lernen alle um: Danny bricht mit Staublunge zusammen, und für ihn raufen sich die Jungs zusammen, schaffen es bis nach London und holen den Pokal. Danny wiederum überrascht die Band mit einer flammenden Rede gegen die Scheißregierung und ihre Politik. Er hat eingesehen, daß Musik nicht das Wichtigste im Leben ist und bringt den Zuschauern die finstere Lage der Kumpel eindrucksvoll in Erinnerung. Die junge Dame schließlich gibt ihren Brötchengebern einen Tritt, weil sie kapiert hat, die ohnehin kein Schwein ihre Gutachten lesen will. Und so läßt sich die Band zünftig volllaufen und intoniert auf einem offenen Doppeldecker zum Abschluß "Land of Hope and fucking Glory".

 

Klassisches englisches Politkino, das alles hat, was es braucht: Viel britischen Humor, starke Typen und vor allem viel Milieu. Daß es zum Ende hin arg pathetisch wird, mag man mit etwas gutem Willen verzeihen, denn erstens gibt es zuvor wirklich viel zu lachen und zweitens hat Dannys Dankesrede, die zugleich eine Protest- und Boykottrede ist, soviel Kraft und Eindringlichkeit, daß man sich dieser Wirkung kaum entziehen kann. Immer wieder geht es um ganz existentielle Dinge: Arbeitslosigkeit, Armut, Ausweglosigkeit und wie die Familien im Revier damit klarkommen. Manche trinken, manche spielen, alle machen Schulden, manche trennen sich auch und manche suchen ihre Zuflucht eben in der Musik, wofür sie von ihren kämpferischen Frauen, die Tag für Tag in Zelten hocken und Kampflieder skandieren, Kopfschütteln bis Verachtung ernten. Die launige und sehr natürliche und spontan wirkende Darstellung beschönigt absolut nichts, immer wieder durchleben die Leute erniedrigende, beschämende Situationen und immer wieder suchen sie nach Strategien, um das tägliche Elend zu bewältigen. Der Film kriegt Gefühl und karge Fakten perfekt unter einen Hut, darin waren die englischen Arbeiterfilme immer groß, er ist engagiert und polemisch, geht der ganzen Sache aber wie fast alle anderen auch mit Ironie und Humor zu Leibe, weil er eben weiß, daß in manchen Lebenslagen kaum noch etwas anderes hilft. Kino mit Stil und Tradition, und zwar einer Tradition, die mir sehr am Herzen liegt. Gut, daß sie auch in den coolen Neunzigern ab und zu noch einen Vertreter findet. (29.10.)