"Cold Comfort Farm" (#) von John Schlesinger. England, 1994. Kate Beckinsale, Eileen Atkins, Sheila Burrell, Rufus Sewell, Stephen Fry, Ian McKellen, Freddie Jones
Flora hat sich Jane Austen zum Idol auserkoren, und kann auch sonst nicht viel mehr, als bei anderen Schriftstellern abschreiben. Sie möchte was erleben und daraus dann einen großen englischen Roman stricken. Nach dem Ableben ihrer Eltern hat sie mehrere Alternativen, bei welchen Verwandten sie sich einnisten kann. Sie wählt die abenteuerlichste: Eine völlig heruntergekommene, halb verfallene Farm irgendwo in Sussex, über der ein düsterer Fluch zu hängen scheint, irgendein schreckliches Geheimnis aus der Vergangenheit, das auch Flora gerne lüften möchte. Zuvor aber räumt sie gründlich auf in dem derben Haufen: Aus dem einen macht sie einen Wanderprediger, aus dem anderen einen Hollywoodstar, die Oma wird an die französische Riviera geschickt und dem ältesten Sohn schanzt sie das Anwesen zu, das fortan auf Vordermann gebracht wird. Eine Ehe arrangiert sie für ein anderes Mädchen und eine für sich selbst, und zum guten Schluß hebt sie in einem Flugzeug ab in die Lüfte und entschwebt dem Ort ihrer Wundertaten einem Engel gleich.
Eine turbulente Geschichte voller literarischer Anspielungen auf Austen, Brontë, Hardy, Lawrence und dergleichen. Der vielbesungene Kontrast Stadt - Land wird genüßlich zur Groteske verzerrt, indem ein solcher Haufen skurriler Typen auftaucht, wie man ihn selten so massiv gesehen hat. Städtisch zivilisierte Eleganz wird ebenso fein überspitzt wie das grobe, schlammige Landleben drastisch karikiert wird. Man suhlt sich in Schweinemist, ungenießbarem Porridge und ungezügelten Sexualtrieben, die natürlich vorzugsweise in Scheunen und hinter Hecken ausgelebt werden. Paps geht jeden Sonntag in die benachbarte Kirche und fährt wie ein furchtbares Unwetter über die bibbernde, eingeschüchterte Gemeinde, die er elendes Gewürm nennt und der er jedesmal sämtliche Höllenqualen in eindrucksvoller Detailwut ausmalt. Diese Szene ist so witzig, daß man manch andere, etwas zu platt geratene Momente und übertriebene Entwicklungen fast verzeiht. Schlesinger ist ein routinierter, sicherer Erzähler, der die Schauspieler sehr effektiv einsetzt, und das ironisch-parodistische Konzept des Romans von Stella Gibbons souverän und einprägsam ausarbeitet. Alles wird mit viel Schwung und Temperament präsentiert und macht ganz einfach Spaß, was in diesem Falle auch alles ist, was ich erwartet hatte. (1.7.)