"Das Leben ist eine Baustelle" von Wolfgang Becker. BRD, 1997. Jürgen Vogel, Christiane Paul, Ricky Tomlinson, Martina Gedek, Armin Rohde, Meret Becker
In den löchrigen Kulissen der großen Baustelle Berlin läßt Wolfgang Becker seine ebenfalls reichlich ramponierten Protagonisten mit ihren persönlichen kleinen Baustellen kämpfen, Jan verliert seinen Job, kriegt Panik, daß er sich mit AIDS infiziert haben könnte, haust unzufrieden bei seiner schlamperten Schwester in einem Kabuff und fahndet nach der großen Liebe. Als er sie entdeckt zu haben glaubt, entpuppt sich Vera als rätselhaft verschlossenes Wesen mit zu viel Eigenleben und zu wenig Mut zur festen Bindung (oder so). Am Ende aber scheinen die beiden gerade noch die Kurve gekriegt zu haben (in Sachen Krankheit und Liebe). Drumherum haben Becker und sein Co-Autor Tom Tykwer (der von "Die tödliche Maria") eine echte Fülle kleiner und größerer Episoden und Nebenfiguren gebaut und sich mal einmal nicht darum geschert, aus alledem nun unbedingt ein harmonisches Ganzes machen zu wollen. Was die einen dem Film vorwerfen mögen, ist für mich nämlich seine große Stärke. Er läßt sich treiben von Geschichte zu Geschichte, läßt sich Zeit, Milieus und Stimmungen einzufangen und wechselt überaus launisch die Tonarten. Mal gibt es derbe Kalauer, mal düster-schwarzen Humor und mal einfach nur stille, liebevolle oder melancholische Momente. Eine sehr angenehme Art der Unberechenbarkeit, denn nie weiß man genau, was in der nächsten Szene kommen wird, bis zum Schluß sind immer noch Überraschungen möglich, weil auch die Helden des Films nie auf geradem Weg vorwärtskommen, wenn sie es denn überhaupt tun. Becker hat die unvermeidlichen, schicken Schnösel der neuen deutschen Komödie beiseite gelassen, und sich mal wieder um Leute von weiter unten gekümmert, denen nicht alles so locker und easy von der Hand geht, die nicht in Designerloggias residieren und nicht mal ein dickes Clownskostüm anziehen müssen, um irgendwie unbeholfen und linkisch zu wirken. Jürgen Vogel hat endlich mal wieder eine richtig schöne Rolle und spielt sie auch schön, Christiane Paul ist charismatisch und sympathisch, und Ricky Tomlinson erinnert uns an Ken Loachs Filme "Riff Raff" und "Raining Stones", deren Geist Becker zumindest in vielen Szenen tatsächlich ganz gut erfaßt hat. Der Film ist alles in allem vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie "Kinderspiele", beweist aber dennoch auf jeden Fall, daß sein Regisseur einen ganz eigenen Stil konsequent verfolgt und mehr vorhat (und auch mehr kann), als nur im Mainstream zu schwimmen und auf Nummer sicher zu gehen. (11.4.)