"The Ice Storm" (Der Eissturm) von Ang Lee. USA, 1996. Kevin Kline, Joan Allen, Sigourney Weaver, Henry Czerny, Christina Ricci, Adam Hann-Byrd, Toby McGuire, Elijah Wood
Ein Kaff namens New Canaan in Connecticut in den Siebzigern: Mr. Nixon läßt gerade seine Unschuldsbeteuerungen in Sachen Watergate per TV an die Nation verbreiten, im Radio kommt Frank Zappa und die upper middle class der Ostküste gibt sich auf Autoschlüsselparties die Ehre, wo dann per Ziehung ermittelt wird, wer mit wem die kommende Nacht zu verbringen hat.
Zwei Familien werden aus dieser feinen Gesellschaft herausgehoben: Der Papa der einen hat ein Verhältnis mit der Mama der anderen, und die Kinder fummeln auch so miteinander herum. Die betrogene Mama ahnt was oder weiß was, aber ein offener Konflikt wird rechtzeitig verhindert vom nächtlichen Unfalltod eines Sohnes der anderen Familie. Man tut sich also wieder zusammen, holt den eigenen Sohn vom Bahnhof ab und gibt nach außen wieder ein intaktes System ab.
Der nächtliche Eissturm bildet den dramaturgischen Höhepunkt eines ansonsten dramaturgisch sehr unauffälligen Filmes: Die Landschaft gefriert unter einer Eisschicht zu einem starren Stillleben, und man kann ohne größere Mühe die Verbindung herstellen zu den Menschen, die diese Landschaft mehr oder weniger bewohnen: Erstarrte Beziehungen, frostige Ehen, kühles Miteinander, brüchige Verläßlichkeiten oder so. In den bewegungsarmen Gesichtern der Hauptfiguren spielt sich wenig ab, außer Langeweile, Sprachlosigkeit, Leere. Gespiegelt wird das in der kahlen Architektur und der Unbewohntheit der Gegend. Die Leute wirken seltsam isoliert, steril, so wie das unsägliche 70er-Jahre-Design der Räume und die triste Häßlichkeit der Frisuren. Indem er uns so gründlich die Krise einer Klasse vor Augen hält, teilt uns der Film eigentlich wenig Neues mit, denn da gibt es genug andere Romane (siehe John Updike) oder Filme, die ähnliches tun. Was diesen speziellen Film dennoch ansehenswert macht, ist sein sehr brillanter Stil, der Ang Lee einmal mehr als einen Klasseregisseur ausweist. Mit beeindruckender Ruhe und Genauigkeit, ohne jegliche Anstrengung oder Hysterie und mit souveränem Verzicht auf künstliche Höhepunkte wird eine Geschichte von Menschen erzählt, die diskret aber sehr eingehend beobachtet und noch präziser in ihr Milieu plaziert werden. Überraschende Pointen, groteske Situation und jäh aufziehende Tragik wechseln recht unvorhersehbar ab, ohne den meditativ dahinfließenden Rhythmus aus dem Takt zu bringen. Man merkt hier wirklich die fernöstliche Herkunft Angs, in den Natur- und Menschendarstellungen beispielsweise oder dem Charakter der Musik, die in melancholisch sich wiederholenden Motiven den Endloszyklus des beschriebenen Lebens aufgreift. Von Generation zu Generation werden bestimmte Verhaltens- und Denkmuster weitergereicht, und hier findet sich wirklich niemand, der diesen Kreislauf durchbrechen könnte. Ein ganz unscheinbarer, an sich durch und durch ernster Film, der intensiv gesehen werden muß, dann aber umso stärker wirkt. (22.12.)