"The English Patient" (Der englische Patient) von Anthony Minghella. USA, 1996. Ralph Fiennes, Juliette Binoche, Kirstin Scott-Thomas, Naveen Andrews, Willem Dafoe
Man nehme Krieg, Wüste, Liebe, Verrat, Spionage, Eifersucht, Tod, Verzweiflung, Hoffnung, Einsamkeit und natürlich viel Schicksal, entwirre einen komplexen und dicken Roman für die Leinwand, finde schließlich einen Produzenten, der für all dies viel Geld auszugeben bereit ist und schwuppdiwupp entsteht ein absolut klassisches großes Drama der alten Schule im modernen Gewand, reines Gefühlskino fürs Auge und das Herz, auf altmodische Weise einfach nur schön. Ein ungarischer Graf in Nordafrika Ende der Dreißiger, kurz vor Kriegsausbruch, eine englische Ehefrau, die ihren Gatten mit jenem rätselhaften Mann betrügt, eine besessene und schließlich unweigerlich zum Tode führende Leidenschaft, ein zur Unkenntlichkeit Verbrannter, der aus einem abgeschossenen Flugzeug gezogen wird, eine kanadische Krankenschwester in der Toskana gegen Kriegsende, ein indischer Mienensucher der stets am Abgrund lebt, ein verstümmelter Kanadier aus der Vergangenheit des Grafen, jede Menge Geschichten um diese Personen herum und noch viel mehr schöne Bilder und schöne Musik. Die Episoden aus den verschiedenen Zeitebenen greifen oft assoziativ ineinander, mal wird die Erzählung dynamisch weiter getrieben, mal schleppt sie sich wie hypnotisiert dahin, dem Fiebertraum des tödlich verletzten Grafen ähnlich. Und mal holpert sie zugegeben auch etwas dahin, zieht sich ein wenig sehr in die Länge, aber darüber kann man im Großen und Ganzen hinwegsehen. Der Film lebt weitgehend vom Sog seiner Intensität, vom Charisma der zum Teil großartigen Darsteller (vor allem Juliette Binoche stellt mal wieder ihre einmalige Präsenz unter Beweis), von der eindrucksvoll zelebrierten Atmosphäre der Handlungsorte und von seinem Mut zu epischer Breite und Größe. Es gibt eigentlich wenig Tiefgründiges oder Weltbewegendes zu vermitteln, man sitzt einfach nur zweieinhalb Stunden dar und läßt sich in diese kunstvoll entfaltete Welt des Melodramas hineinziehen, sofern man Spaß an sowas hat. Und für diesen Abend hatte ich das. (19.3.)