„Jenseits der Stille" von Caroline Link. BRD, 1996. Sylvie Testud, Emmanuelle Laborit, Howie Seago, Sibylle Canonica, Hansa Czypionka
Eine Emanzipationsgeschichte: Lara hat taubstumme Eltern und wächst in einer seltsam isolierten, aber dennoch behüteten Umgebung auf, in der sie das wichtigste Verbindungsglied zur Außenwelt der Hörenden darstellt. Ihr Vater hat Probleme mit seiner Familie, einem Haufen ehrgeiziger, geltungssüchtiger Kulturmenschen. Besonders Tante Clarissa, eine gefeierte Klarinettistin, hat es auf Lara abgesehen und glaubt, der Einfluß ihrer Eltern werde sie in ihrer Entwicklung hemmen. Sie schenkt ihr eine Klarinette, übt mit ihr und ermutigt sie, gezielte Schritte in Richtung einer Karriere zu unternehmen. Eifersüchtig beobachtet Laras Vater den Vorgang und versucht wiederholt, die Tochter von ihren Unternehmungen abzuhalten. Lara reißt sich schließlich von Elternhaus los und zieht zu Clarissa nach Berlin, lernt andere Künstler und einen Mann kennen. Erst der Unfalltod der Mutter läßt die Vergangenheit wieder näher rücken, was sie aber nicht davon abhält, weiter an ihrer Musik zu arbeiten. Und am Schluß, so scheint es, erkennt auch der Vater endlich, wie wichtig es ist, Lara ihre Freiheit zu lassen.
Ein in allen Teilen schöner Film: Schöne Menschen, schöne Bilder, schöne Musik. Lara und ihre Familie werden mit rückhaltloser Zärtlichkeit und Solidarität dargestellt, und der ab und zu aufblitzende Humor sorgt dafür, daß man sich zusätzlich für die Personen erwärmt. Der Film bleibt ein bißchen an der Oberfläche, wenn es um die Konflikte zwischen Hörenden und Nichthörenden geht, und darum, welche Position Lara eigentlich genau innerhalb der Familie einnimmt, und wie sie das später sieht. Die Eltern im Vergleich zu Lara bleiben etwas zu fremd, was allerdings auch daran liegen kann, daß uns Taubstumme per se irgendwie fremd sind. Zwischendurch hängt die ganze Story dann ein bißchen, wenn man nicht ganz genau weiß, worauf das Ganze jetzt hinaus soll, und alles ein wenig ziellos durch Berlin und diverse unerhebliche Episoden im Künstlermilieu treibt. Auch ist der Tod der Mutter eine etwas übertriebene Maßnahme, um uns und Lara die Existenz der Familie in Erinnerung zu rufen, zumal er dramaturgisch nicht sehr einsichtig ist. Naja, aber trotzdem überzeugt der Film durch seine Wärme, die (zumindest vielfach) originellen und hervorragend gespielten Figuren und, wie gesagt, ganz allgemein durch seine Schönheit. Übertriebener Kitsch kommt bis zum Schluß eigentlich nicht vor, was bei solchen Geschichten wirklich selten ist. Überhaupt ist dies eine kleine Rarität im nationalen Filmschaffen und allein schon deshalb zu beachten. Tatsächlich mal keine Komödie. Und auch noch ohne Til Schweiger, Joachim Król oder Katja Riemann. Kaum zu glauben! (15.3.)