"Kamasutra" (#) von Mira Nair. Indien/England/USA, 1996. Indira Varma, Sarita Choudhury, Naveen Andrews, Ramon Tikaram, Rekha

Eine Geschichte aus Indien im 16. Jahrhundert: Zwei Frauen wachsen gemeinsam auf, die eine als Königin, die andere als Dienerin. Sie erleben wechselvolle Liebes- und Lebensleiden und gehen aus tragischen und demütigenden Erlebnissen gestärkt und selbstbewußt hervor.

 

Schöne Menschen, schöne Bilder und eine schöne Ethnomusik machen die äußerlichen Attraktionen des Films aus, der mich ansonsten daran erinnert, daß die indische Filmkultur doch eine fremde Welt ist. Die ganze Erzählung schleppt sich recht oberflächlich dahin, sammelt archaische Motive von Liebe, Haß, Eifersucht, Tod und Leid und versucht außerdem, eine Brücke zu modernen, feministisch geprägten Ansichten zu schlagen. Eine weitere Brücke zwischen östlicher und westlicher Kultur ist der Hauptgrund für die stilistische Unentschlossenheit des Films. Er ist prinzipiell der indischen Tradition verpflichtet, will aber dennoch auch im Westen ankommen und verstanden werden und wirkt des Öfteren wie ein etwas unausgegorener Ethnomix, der sich allzu deutlich hiesigen Sehgewohnheiten anbiedert. Im Umgang mit dem Buch des Kama Sutra wird dieser Mangel besonders offenbar, denn Mira Nair läßt sich auf die Kunst und die Philosophie der körperlichen Liebe in keiner Weise wirklich ein, beläßt es bei ein paar Paraphrasen und netten Erotikszenen, die aber die eigentliche Substanz der alten Lehre nicht berühren. Die Versprechungen des Titels werden somit nicht eingelöst, und Erotomanen wie unsereins schlichen düpiert von dannen, beseelt von der Erkenntnis, daß Mira Nair in früheren Tagen eine interessante Regisseurin war, der es aber diesmal, anders als in dem fabelhaften "Salaam Bombay" nicht gelungen ist, ihr Heimatland für uns verständlich und faszinierend zu machen. Herausgekommen ist nicht mehr als ein hübsch anzuschauendes, aber doch langatmiges und schwerfälliges Kostümabenteuer, das mein Interesse nicht über die volle Distanz wachzuhalten vermochte. (22.5.)