"Michael Collins" (#) von Neil Jordan. England, 1996. Liam Neeson, Aidan Quinn, Julia Roberts, Alan Rickman, Stephen Rea, Ian Hart

Die Iren haben sich auf politischem Gebiet schon des öfteren der Lächerlichkeit preisgegeben, wie man weiß. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn sie auch noch solche Filme wie den hier über das ganze Elend machen. Geschichte als Kasperltheater - knallbunt und laut, fast wie das wahre Leben also. Geschichte als Schwarzweißmalerei - hier Collins, der strahlende, volkstümliche Held, dort de Valera, der infame, perfide Verräter. Geschichte als Melodram - zwei Freunde, aus denen politische Gegner werden und zwischendrin eine Frau, die auch noch Kitty Kiernan heißt, wie in einem Drama von Yeats. Geschichte als fotogenes Spektakel - Blut, Schweiß und Tränen zuhauf (natürlich wird auch hier kein Effekt ausgespart) und zu jedem Bild die passende Musik. Überhaupt diese Musik - alles überdröhnt sie, alles übertüncht, deckt sie zu, zwingt uns Emotionen auf, die wir vielleicht gar nicht empfinden wollen, zwingt uns Deutungen auf, wo wir uns vielleicht lieber ein eigenes Urteil bilden würden. Sie taugt eigentlich nur für die Nachtvorstellung, denn immer, wenn man mal wieder (alle fünf Minuten etwa) einnicken möchte, ballert und trompetet sie los, und reißt den geplagten Zuschauer aus sanftem Dämmer.

 

Die Zeit zwischen dem Osteraufstand von 1916 und dem Bürgerkrieg nach dem Anglo-Irish Treaty von 1921 ist für die Iren auch heute noch prägend, und wurde bislang im Film eigentlich kaum behandelt. Umso trauriger ist es, daß dies nun in Form eines solch banalen, albernen und durch und durch platten Werkes geschehen ist. Natürlich muß man von Neil Jordan mehr erwarten als ein Kostümspektakel, das sich lediglich dadurch auszeichnet, daß in jeder einzelnen Sekunde irgendwas los ist und man null Zeit und Ruhe hat, einmal nachzudenken, zu reflektieren. Der Film hat keine Tiefe, kennt keine Differenzierung, nur die pausenlose Action, so als habe er panische Angst davor, einmal innezuhalten, und das Gesehene und Geschehene sacken zu lassen. Eine rastlos rotierende Kamera läßt die Handlung an uns vorüberwirbeln und die Charaktere im allgemeinen Trubel untergehen, so daß sich die Schauspieler anstrengen könnten, wie sie wollten, es würden immer nur pappige Stereotypen entstehen. Aber selbst die Schauspieler befriedigen nicht: Liam Neeson, von Haus aus schon einmalig uncharismatisch, scheint sich endgültig John Wayne als künstlerisches Vorbild auserkoren zu haben, Alan Rickman trägt als intrigantes Reptil unangenehm dick auf, und Julia Roberts scheint sich ständig zu fragen, was zum Teufel sie in diesem Umfeld überhaupt verloren hat (die Antwort ist klar: gar nichts). Zudem nervt Jordans pathetisch-aufgeblasener Ton. Er gibt vor, ein Zeichen für Gewaltfreiheit und Frieden in Irland setzen zu wollen (wie schon in "The crying game") und inszeniert die Schlachtszenen mit dem Pomp und Gusto eines Kriegsfilmregisseurs. Er verwechselt große Tragödie mit nüchternen, völlig unheroischen Fakten und stilisiert Leute zu Helden, die allenfalls ihr Leben verschwendet haben oder vom ignoranten Pöbel dahingemordet wurden. Und ob Collins' Errungenschaft, nämlich jener berüchtigte Vertrag von 1921, an dem die Iren und die Brits heute noch zu knacken haben, wirklich die große Lösung war, bleibt auch durch die bloße Behauptung in diesem Film unbewiesen. Wir erleben mithin keinen politischen, sondern nur einen lauten Film, und das sind doch zwei verschiedene Dinge. Natürlich schlägt Jordans Herz für die Sache Irlands, zumindest tut er so, und das würde ihn mir im Grunde sehr sympathisch machen. Aber solange solch unausgegorener Murks dabei rumkommt, kann ich auf diese Gefühle bestens verzichten. (2.6.)