"Mrs. Dalloway" (#) von Marleen Gorris. England/Holland, 1996. Vanessa Redgrave, Natascha McElhone, Rupert Graves, Michael Kitchen, Alan Cox, Lena Headey, Amelia Bullmore
"Mrs. Dalloway" von Virginia Woolf (die nun auch endlich mal von der Welle britischer Literaturfilme erfaßt worden zu sein scheint) ist ein besonders schöner Roman: Elegant, poetisch, tiefgründig, sensibel. Ein zartes Gewebe sanft fließender Sprache gestaltet ein Minimum ein äußerer und ein Maximum an innerer Handlung, die Bilder leuchten und fast scheint es, als erwache das London Mitte der Zwanziger, so wie es die Woolf sah, direkt vor unserem Leserblick zum Leben. Eine eindrucksvolle künstlerische Leistung und zugleich eine, die ein Film niemals wirklich nachvollziehen kann. So bewundernswert Romanwerke dieser Art (innerer Monolog undsoweiter) auch sein mögen, so beläßt man es am besten auch dabei und unternimmt nicht erst den Versuch, sie noch in bewegte Bilder umsetzen zu wollen. Marleen Gorris macht charakteristischerweise nichts anderes, als Scorsese vor ein paar Jahren mit Edith Wharton: Sie zitiert ausführlich aus dem Buch direkt und filmt Vanessa Redgraves Gesicht dazu ab. Daß dies eigentlich nichts mit Film zu tun hat, und daß die Redgrave dadurch fast ein Nichts als Rolle in der Hand hat, nimmt sie offensichtlich in Kauf, aber es ist doch traurig. Ansonsten bemüht sie sich um stilvolle Bilder, einen der Sprache halbwegs gleichartigen Erzählfluß und eine annähernd gelungene Integration der Gedankenwelt in die kurz skizzierten Geschehnisse, die sich um einen einzigen Tag drehen, an dem Clarissa Dalloway eben ihre Party gibt. In der ersten Stunde schafft sie das sogar ausgesprochen gut und man schaut bewegt und gefesselt zu. Nur im Verlauf der zweiten Stunde läßt die Spannung nach, weil auch nicht mehr soviel passiert, und spätestens hier verliert auch die Rückblendentechnik ihre Wirkung. Rückblenden sind oft die bequemste, aber leider auch unoriginellste Art, den Lauf der Zeit und damit Vergänglichkeit, Altern, Veränderung oder auch Verlust von Idealen und Gefühlen zu illustrieren. Mehr Mut hätte hier dazugehört, sie vollkommen zu vermeiden und alles, was es zu sagen gibt, wirklich nur im Rahmen der gegenwärtigen Zeit unterzubringen und eine viel größere Intensität zu erzeugen, die so nämlich fast zwangsläufig futsch ist, weil man dauernd in den Zeiten hin und her springt. So haben wir einmal mehr ein nett anzuschauendes Kostümstück mit guten Schauspielern, schöner Musik und einem insgesamt angenehmen Ambiente, das uns für zwei Stunden von einer anderen Zeit träumen läßt. Daß ursprünglich vielleicht andere Ambitionen dahinterstanden, geht irgendwie ein bisserl verloren. Gorris kann sich immerhin damit trösten, daß auch Sally Potter sich schon mit Mrs. Woolf schwergetan hat, aber das wird für jede weitere Filmemacherin auch gelten, denn so manche Literatur wehrt sich halt doch gegen die Erfassung durch den Film. (27.9.)