"Some Mothers' Sons" (Mütter und Söhne) von Terry George. Irland/England, 1996. Helen Mirren, Fionnula Flanagan, Aidan Gillen, David O'Hara, John Lynch, Tom Hollander, Ciaran Hinds

Der große Hungerstreik der IRA-Häftlinge im Maze Prison Anno '81 kostete zehn Menschen das Leben, weil die Brits nicht geneigt waren, die Forderungen der Inhaftierten auch nur ernsthaft zu erwägen. Maggie Thatchers Parole zum Thema Nordirland hieß stets nur 'Crime is Crime is Crime', und nur weiteren differenzierteren Äußerungen ließ sie sich im wesentlichen nicht hinreißen. So war  die englische Politik jener Zeit, und so war auch die Reaktion der IRA: Gewalttätig, fanatisch und außerstande, Gespräche oder Kompromisse oder Lösungen zu suchen. Dieser Film, produziert und geschrieben von Jim Sheridan, arbeitet den großen Hungerstreik fürs Mainstreamkino auf und zeigt am Beispiel zweier Mütter und ihrer Söhne, welche Konflikte und Tragödien politische Verbohrtheit und ideologische Blindheit mit sich bringen können. Gerard und Frank sind IRA-Kämpfer. Für Franks Mutter Annie ist das nichts Neues, denn sie hat bereits einen Sohn im Kampf verloren und ist irische Patriotin aus vollem Herzen. Gerards Mutter Kathleen ahnt nichts von seinen Aktivitäten und hält sich auch sonst eher auf der unpolitischen Seite. Die Verhaftung der beiden reißt sie aus allen Alltagsträumen und konfrontiert sie mit völlig neuen Tatsachen und Notwendigkeiten. Sie muß sich in einer Sache engagieren, für die sie bislang wenig Interesse gezeigt, die sie im Gegenteil verdrängt, aus ihrem Leben herauszuhalten versucht hat. Nun kommen zwei sehr unterschiedliche Frauen zusammen im gemeinsamen Bemühen, humane Haftbedingungen für ihre Söhne und die anderen Häftlinge zu erstreiten. Dabei versucht Kathleen auch immer noch, ihren Sohn von seinem konsequenten Kurs abzubringen, der ihn, wie sie weiß, in den Tod führen würde. Erst langsam lernt sie, seine Haltung wenigstens zu akzeptieren und sie als seine persönliche Wahl anzuerkennen. Als der Streik eskaliert und die Briten weiterhin hart bleiben, werden die Mütter vor eine zynische Wahl gestellt: Sie haben das Recht, für ihre Söhne zu entscheiden, ob der Streik fortgesetzt werden soll oder nicht, sobald diese ins Koma fallen. Kathleen und Annie treffen verschiedene Entscheidungen: Kathleen unterschreibt und läßt Gerard an den Tropf hängen, Annie unterschreibt nicht und Frank stirbt.

 

Ein Film mit starken Gefühlen, und einer starken Aussage für Menschlichkeit und Leben und gegen jede Form von Radikalität und jene Haltung, die in Nordirland schon einigen tausend Menschen das Leben gekostet hat. Weder von Seiten der Iren noch von Seiten der Brits gibt es Anzeichen für ein Einlenken, für Dialogbereitschaft, ein Aufeinanderzugehen, es herrschen vielmehr Haß, Verachtung und die allgemeine Unfähigkeit, den eigenen Standpunkt zu revidieren oder zumindest zu überdenken. Die brutale Arroganz, mit der die Engländer den Tod der Hungerstreiker in Kauf nehmen, ist auch aus anderen Ländern bekannt: Ein Rechtsstaat läßt sich niemals von Terroristen erpressen, er verhandelt nicht mal mit ihnen, denn Terroristen sind Abschaum und als solcher zu behandeln. Im Film sind die maßgeblichen Brits so richtig schön gemeine, aalglatte Klischeefiguren, ziemlich platt, aber in ihrer Funktion für die Geschichte natürlich effektiv. Sheridans Sympathie gilt den Iren und ihrer Sache, soviel ist klar, aber er geht auch zur IRA deutlich auf Distanz, indem er feststellt, was dogmatischer Eifer im Ernstfall für eine Familie bedeuten kann, nämlich nichts weiter als Tod und Verzweiflung. Der tote Bobby Sands sieht aus wie Jesus, was ich nicht ganz verstanden habe und in der möglichen Absicht eher zweifelhaft, oder wenigstens pathetisch finde. Unbefriedigend ist der Film sowieso in seiner Machart, denn er geht wieder mal nichts so richtig an, nicht die Politik und auch leider nicht den persönlichen, wenn man so will psychologischen Aspekt, der hier sehr interessant ist. Das grausame Dilemma der beiden Mütter hätte allein schon genug Stoff für einen Film abgegeben, und so einen hätte ich viel lieber gesehen, als diese doch recht breit und weitschweifig angelegte Darstellung, die zeitlich zu früh anfängt, zu viel Raum aufs Vorgeplänkel verwendet, und die Haltung von IRA  und Sinn Fein unbedingt ausführlicher hätte erläutern müssen. So hat man von allem ein bißchen, auch die schöne irische Landschaft und schöne irische Volksmusik kommen vor, so als dürften sie unter gar keinen Umständen fehlen. Natürlich ist der Film absolut nicht schlecht, natürlich sind viele Szenen beeindruckend, natürlich sind die Schauspieler exzellent, und natürlich ist mir so ein Film über mein Leib- und Magenthema allemal lieber als gar keiner, aber noch immer warte ich auf den einen, der mal wirklich zur Sache spricht, ohne folkloristisches Drumherum und ohne unnötige Konzessionen an den breiten Geschmack. Von den Iren selbst ist Joe Comerford dem bislang am nächsten gekommen, und vielleicht kann man ja mal wieder auf einen neuen Film von ihm hoffen. (9.3.)