"On connait la chanson" (Das Leben ist ein Chanson) von Alain Resnais. Frankreich, 1997. Pierre Arditi, Sabine Azéma, Jean-Pierre Bacri, André Dussolier, Agnès Jaqui, Lambert Wilson
Wie sein anderer alter Mitstreiter aus der Nouvelle Vague, M. Rivette (70), hat sich nun auch Resnais (75) zur leichten, musikalischen Muse entschlossen, soll heißen, er läßt seine Akteure zumindest einen Teil der Dialoge singen. Das hat Demy bekanntlich schon immer mal gemacht, und es ist scheinbar auch nicht ganz aus der Mode gekommen. Wie Rivette hat sich Resnais hier der kopflastigen, sperrigen Kost früherer Tage (ach ja, was macht denn eigentlich der Herr Godard?) enthalten und präsentiert einen lockeren Strauß ineinander verwobener Lebens- und Liebesgeschichten von mehr oder weniger arrivierten Bürgern in Paris (das Personal unterscheidet ihn dann doch von Rivette, der sich in "Haut - bas fragile" eher den jüngeren Leuten zugewandt hat). Eine Fremdenführerin, eine Geschäftsführerin, zwei Makler, eine alte Bekanntschaft, hier ein Flirt, dort ein Mißverständnis, ein paar geheime Nöte und ein dezenter Wohnungsbetrug, alles im Grunde eher nett und belanglos, und das Ganze dann aufgepeppt durch witzig integrierte Chansons von Aznavour, France Gall, Gilbert Bécaud und tausend anderen, zu denen die Schauspieler nur die Lippen bewegen, und schon hat man zwei Stunden gute Unterhaltung, amüsant, charmant, elegant, wie immer betont künstlich arrangiert (teilweise zumindest) mit deutlich gemalten Ansichten von Paris und theaterhaft ausgeleuchteten Innenräumen. Die Schauspieler sind in bester Verfassung, allen voran Sabine Azéma, der zuzuschauen immer sehr viel Spaß macht, und die mit ihren clownesken Künsten am meisten zu meiner Aufheiterung beigetragen hat. Resnais hat ja in vielen seiner Filme Zeit und Realitätsbegriffe aufgehoben, relativiert, neu definiert und auch gern mit den verschiedenen Kunstformen gespielt. Mal war es Melodram, mal Märchenfilm, mal Comicstrip und nun ist es das Musical, dem er ähnlich wie Woody Allen eine liebevolle Reverenz erweist, nur vielleicht nicht ganz mit dessen Schwung und Temperament. Man ist halt fünfzehn Jahre älter und sowieso schon immer gesetzter gewesen. Für strengen Tiefsinn muß man die frühen Resnaisfilme hervorkramen, der hier ist nur in Anführungsstrichen unterhaltsam, das aber nach bestem Wissen und Gewissen. (21.4.)