"Unagi" (Der Aal) von Shohei Imamura. Japan, 1997. Koji Yakusho, Misa Shimizu, Fujio Tsuneta
Ein farbloser Büromensch und Angelfreund namens Takuro erwischt seine Frau beim lustvollen Seitensprung, meuchelt sie in wilder Rage, zeigt die Tat selbst an und verbringt acht Jahre im Zuchthaus. Nach der Freilassung auf Bewährung richtet er sich als Friseur in einer ländlichen Gegend neu ein, kann aber seinem Vorsatz, sein Leben fortan in Askese zu fristen, nicht lange treu bleiben, zumal er in allerhand Turbulenzen hineingezogen wird.
Nach allem, was aus Japan sonst so zu uns kommt, muß dieser Film auch geübte Kinogänger überraschen, denn er läßt uns konsequent darüber im Unklaren, ob wir das merkwürdige Geschehen nun als Tragödie oder als Komödie aufzufassen haben. Daß beide Elemente mitunter nahe beieinander liegen, mag uns bekannt sein, doch selten hat ein Film so kunstvoll seine irritierende Wirkung aus dieser Nähe bezogen. Gerade wähnt man sich in einem formal strengen, klassisch ruhigen japanischen Drama, genießt die Ruhe der vertraut tiefgelegten Kameraeinstellungen, da bricht urplötzlich fast slapstickhafte Komik los, bevölkern mit einem Mal allerhand skurrile Typen die Szenerie, zetteln wilde Raufereien oder andere Narreteien an und werfen uns vollkommen aus unserer fast feierlichen Stimmung. Gezielt und vorsätzlich frivole Erotikszenen, auch wenn es nur zwei sind, brechen als unvermittelt moderne Elemente in die Erzählung ein, in einem Moment wähnen wir uns in einem Selbstfindungsdrama, im nächsten in einem Gangsterfilm und kurz danach winkt die Liebesgeschichte am Horizont. Dieser muntere und künstlerisch vollendet realisierte Wechsel verhindert, daß wir uns auf das eine oder andere einstellen, er zwingt uns praktisch dazu, alles so zu nehmen, wie es gerade kommt, worin vermutlich der tiefere Sinn bzw. die Philosophie des Films liegen könnte, wenn man nebenbei Takuros Lern- und Entwicklungsprozeß vom Einzelgänger zum liebenden Menschen berücksichtigt. Sowas sieht man selten auf der Leinwand, und aus Japan hätte ich mir das ehrlich gesagt erst recht nie vorstellen können. Umso besser für mich, daß ich mal wieder was dazugelernt habe, und nach all dem flauen Zeug in diesem Jahr auch gut, daß es sich mal wieder gelohnt hat, einen Film aus einem für uns noch immer (leider) exotischen Land gesehen zu haben. (8.6.)