"The Nephew" (Der Neffe aus Amerika) von Eugene Brady. Irland, 1998. Hill Harper, Donal McCann, Aislin McGuckin, Sinéad Cusack, Pierce Brosnan
Chad kommt aus New York auf die einsamste aller einsamen irischen Inseln, um die Asche seiner Mutter in die Heimat zu bringen. Dort stößt er alsbald auf Spuren tragischer Ereignisse, die wohl zwanzig Jahre zurückliegen und tiefe Spuren in der Dorfgemeinschaft hinterlassen haben. Außerdem ist er jung und schwarz und damit nicht gerade für eine rasche Integration prädestiniert. Dennoch kriegt er sein Mädel, darf auf der Insel bleiben und sorgt dafür, daß einige der verstockten Eingeborenen ihren jahrelangen Haß begraben und neu anfangen werden.
Ein schön fotografiertes Melodram, das sein Potential eher andeutet denn ausspielt, was nicht unbedingt nur ein Nachteil sein muß, denn dadurch wird uns zumindest der schlimmste Kitsch erspart. Natürlich geht es abwechselnd rührend und dramatisch zu, wenn sich Chad Schicht für Schicht durch das Dickicht der Vergangenheit arbeitet und herausfindet, was einst zwischen seiner Mutter und dem Onkel, zwischen dem Onkel und einer anderen Frau, zwischen der Mutter und ihrem Geliebten undsoweiter vorfiel, und wenn er immer wieder an der Sturheit und Hartherzigkeit seines Onkels verzweifelt, der seine Geheimnisse und seine Gefühle tief in sich verbuddelt hat. Als er dann auch noch mit der Tochter des Pubbesitzers, des bewußten Liebhabers seiner Mutter, anbändelt, drohen die Dinge einen unschönen Verlauf zu nehmen, dem er sich durch Flucht nach Amerika zu entziehen sucht. Erst jetzt, als es fast zu spät ist, springt der Onkel über seinen Schatten und bittet um Vergebung. Die typisch irisch-ländlichen Strukturen werden ebenso grob umrissen wie das Aufeinanderprallen zweier grundverschiedener Welten und die Diskrepanz zwischen religiös-moralischer Oberfläche und dem, was darunter brodelt. Man kann sich sicherlich so einiges zusammenreimen, doch dem Film selbst fehlt so etwas der lange Atem, er möchte wohl lieber auf leichtere Art unterhalten und rühren. Beides schafft er dank zügiger Dramaturgie und ausgezeichneter Schauspieler, die allerdings, wenn man es realistisch betrachtet, entscheiden zu sophisticated für so eine Umgebung sind. Diese Insel selbst ist natürlich Postkartenirland pur, eine Mixtur aus Wicklow Mountains, Connemara und anderen touristischen Anziehungspunkten, alles, aber nie und nimmer ein kleines Eiland irgendwo vor der Westküste.
Der Film ist also alles in allem ganz nett, nur hätte er natürlich viel besser sein können, wenn er etwas mehr Mut zu etwas weniger Ethnoklischees gehabt hätte. (19.12.)