"The Wings of the Dove" (Die Flügel der Taube) von Iain Softley. England, 1997. Helena Bonham-Carter, Linus Roache, Alison Elliott, Charlotte Rampling, Elizabeth McGovern, Michael Gambon

Nach den Filmen von Jane Campion und Agnieszka Holland ist dies bereits die dritte Henry-James-Fassung in kurzer Zeit, und wenn man die älteren James-Ivory-Versionen hinzunimmt, ist das Werk dieses amerikanischen Autors bereits recht eingehend erfaßt worden. Was ihn reizvoll macht für das Medium, ist angesichts des E.M.-Forster- bzw. Jane-Austen-Booms klar: Psychologischer Tiefgang vermischt mit sozialen und erotischen Intrigen und zahlreichen Möglichkeiten zu pittoresken Epochentableaus. So oder so ähnlich läuft das auch in diesem neuerlichen Fall: Eine Frau liebt einen Mann. Der steht gesellschaftlich tief unter ihr, und da sie ihren Rang und ihr Erbe nicht gefährden möchte (und eine Tante im Nacken sitzen hat, die einst in ihrer Jugend just diese Torheit beging), sucht sie nach einer Möglichkeit für ihn, auf der Leiter hinaufzufallen. Eine reiche, junge und ebenso kranke Amerikanerin scheint die Lösung zu sein. Sie überredet ihn, das vertrauen und das Herz dieser Frau zu gewinnen, um nach ihrem baldigen Ableben finanziell saniert zu sein. Man begibt sich nach Venedig, wo sich allerdings die Dinge anders entwickeln, als es unsere fesche Intrigantin vorausgesehen hat. Der junge Mann Merton ist nämlich ein Herr von Anstand und Gewissen, und nach dem Tod der Frau, in die er sich wohl auch ein wenig verliebt hat, kann er nicht so ohne weiteres zur Tagesordnung, sprich in die Arme der anderen, Kate, zurückkehren. Diese Geschichte besitzt das Potential zum großen Pompmelodram, ist aber zum Glück eher verhalten inszeniert. Der Film kommt eher zögernd von der Stelle, gewinnt dann in Venedig deutlich an Spannung, und kann zum Abschluß mit einer perfekt getimten Erotikszene aufwarten, in der die Quintessenz des Ganzen sehr schön erfaßt wird. Es geht um den Kampf von Gefühl, Gewissen, Kalkül und Verrat. Kate glaubt zunächst, Merton wieder für sich gewonnen zu haben, muß aber am Ende erkennen, daß ihre scharfe Rechnung nicht aufgehen wird. Er reist zurück nach Venedig und hat seine innere Integrität bewahrt, hat die Gefühle der Toten nicht preisgegeben und verkauft. Die Schilderung konzentriert sich unter Abzug vom üblichen gesellschaftlichen Brimborium (hier ein Ball, dort der Karneval) ganz auf die drei Protagonisten und tut daran eigentlich auch recht, denn die Darsteller sind sehr gut, vor allem Bonham-Carter, die Muse des englischen Literaturfilms, läuft fast unerwartet zu sehr großer Form auf und stellt endlich auch mal einen Charakter mit mehr Ecken und Kanten vor als gewohnt. Vor allem in der erwähnten Finalsequenz offenbart sie sich als wirkliche Klasseschauspielerin, was mir zuvor nicht immer in dem Maße klar war. Um die herum werden routiniert schöne Bilder drapiert (wer hätte Venedig nicht schöne Bilder abgerungen?) und ansonsten keine Risiken eingegangen, denn solche Filme laufen ja, wie ich wohl schon mal sagte, fast von selbst, wenn man sich nicht allzu dumm anstellt und allzu zäh Regie führt. Und so faßt man einmal mehr zusammen: Nichts Neues an der Literatenfront, solides Werk ohne Ausfälle, aber auch ohne die ganz große, bahnbrechende Vision. Die wird man wohl, so langsam darf ich das mal annehmen, auch in Zukunft nicht erwarten dürfen. (20.7.)