"Deconstructing Harry" (Harry außer sich) von Woody Allen. USA, 1997. Woody Allen, Judy Davis, Elisabeth Shue, Kirstie Ally, Billy Crystal, Richard Benjamin, Robin Williams, Demi Moore

Woody hat mal wieder auf der Couch gelegen und daraus einen Film gemacht, nur daß der diesmal eine ganze Ecke böser und grimmiger ausgefallen ist als sonst. Nicht nur hat er die Fäkalsprache für sich entdeckt (und reichlich ausprobiert!), auch präsentiert er uns eine deutlich unsympathischere Variante des ewigen Stadtneurotikers, dessen Komplexe, Konflikte und Umgebung zwar wiedererkennbar gleich geblieben sind, den wir aber kaum durchgehend mögen werden. Harry ist Schriftsteller, ein Hedonist, Egoist, Zyniker, geschieden, blockiert, jammernd, selbsthassend, der seine wüsten Aggressionen und Ängste in grotesken Stories entlädt, die uns Woody Allen filmisch miterleben läßt. Es entsteht ein wildes Durcheinander aus Fiktion und doppelter Fiktion, bis Harrys Figuren letztlich aus den Geschichten austreten in den 'normalen Film', ihren Schöpfer bei der Hand nehmen, ihm ein paar unbequeme Wahrheiten sagen, ihn schließlich alle miteinander hochleben lassen, um ihn so von der Schreibblockade zu befreien. Bis dahin hat er eine Menge Ärger mit frustrierten Exfrauen und Geliebten, seine jüdisch gläubigen Schwester, einem plötzlich toten Freund und dergleichen mehr. Alle hat er irgendwann vor den Kopf gestoßen, sie verletzt, benutzt oder betrogen und ist dann zur nächsten Eroberung weitergezogen. Ihre Aufregung versteht er nicht, oder tut sie als Hysterie ab, seine Verteidigungsversuche sind schwach und wenig inspiriert und er kommt nur knapp mit dem Leben davon. Eine richtige Geschichte will nicht zusammenkommen, dazu geht es zu sehr hin und her auf den Ebenen, und von der ganzen etwas sperrigen, schroffen Attitüde erinnert der Film an "Stardust Memories", in dem Allen auch schon mal deutlich negative Töne angeschlagen hat. Hier spielt sich das Ganze allerdings auf der Privatbühne ab, so als habe sich Woody mal selbst (oder anderen) zeigen wollen, was für ein Mistkerl er eigentlich ist, aber vielleicht meint er sich ja auch gar nicht selbst. Vieles ist möglich, man darf getrost herumrätseln und interpretieren und am Ende feststellen, daß es zwar schon witzigere und leichtere Woody-Allen-Filme gegeben hat (man muß sich nur den Vorgänger anschauen), aber nicht unbedingt vieldeutigere und interessantere. Der Clown aus Manhattan offenbart seine dunkle Seite, und diesmal kann man sogar darüber lachen. (29.6.)