"Jackie Brown" (#) von Quentin Tarantino. USA, 1997. Pam Grier, Samuel L. Jackson, Robert Forster, Robert de Niro, Bridget Fonda
Jackie Brown ist eine Stewardess etwas hinter den besten Jahren, die ab und zu für einen Waffen- und Drogenschieber kleinere Geschäfte erledigt. Als die Bullen sie eines Tages schnappen und unter Druck setzen, startet sie ein heikles Spiel, an dessen Ende sie gemeinsam mit ihrem Bewährungsheini eine halbe Million Dollar abgezockt und sämtliche Gegner aufs Glatteis gesetzt hat. Kein Stoff für zweieinhalb Stunden Kultkino sollte man denken. Aber Tarantino hat sich Zeit und Muße gelassen und einen sehr schön atmosphärischen Gangsterfilm ganz im Stil der Siebziger abgeliefert, der eben in dieser Tatsache seine größte Stärke besitzt. Zwar ist das L.A. von heute unzweifelhaft Schauplatz des komplizierten Treibens, doch sowohl die Musik- als auch die Klamottenauswahl deuten zwanzig Jahre zurück und erzeugen augenblicklich die Stimmung des schwarzen Kinos à la Superfly von einst. Die Geschichte wird zunächst annähernd linear vorangebracht, doch der Hauptcoup, die unübersichtliche Geldübergabe in einer gigantischen Shopping Mall, wird immer wieder, insgesamt aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, wodurch zum einen die Spannung beträchtlich anzieht und zum anderen sich das zuvor puzzlehaft unvollständig erscheinende Geschehen am Schluß doch zu einem nachvollziehbaren Ganzen fügt. Ein feiner Trick, der natürlich dann doch an 'Pulp Fiction' erinnert, wie auch viele der rohen, coolen Sprüche und Tarantinos Hang, zum unpassendsten Moment die besten Gags zu bringen. Und wie auch die hart an der Grenze zur Karikatur stehenden Personenzeichnungen, denn mit Ausnahme Jackie Browns sind alle anderen entweder klassische Stereotypen oder aber ziemlich durchgeknallt. Bridget Fonda ist die totale Mieze mit knappen Höschen und nur zwei Sachen im Kopf. Robert de Niro ist der leicht stumpfe kleine Gangster, der die Mieze umballert, weil er sie sonst nicht zum Schweigen bringen kann. Samuel L. Jackson ist der großmäulige und unberechenbar brutale Schieber, der aber dennoch ein offenes Ohr für guten Soul hat. Robert Forster schließlich mimt den coolen, lebenserfahrenen, unscheinbaren Profi, der sein Herz an Jackie verliert, ohne dabei seinen Vorteil aus den Augen zu verlieren. Dank der ausgezeichneten Schauspieler macht es sehr viel Spaß, diesem skurrilen Grüppchen bei seinen täglichen Eskapaden zuzusehen, auch wenn man, wie gewohnt bei Tarantino, ständig auf der Hut vor jähen Gewaltausbrüchen sein muß, die zwar nicht so kraß sind wie sonst, aber dennoch erwartungsfrohes Gelächter im Publikum auslösen. Tja, Tarantino ist tatsächlich einer der ganz wenigen Filmemacher, bei dem die Leute laut loswiehern, wenn jemand totgemacht wird - warum? Weil Sterben nirgends sonst so cool und hip ist wie hier. Das nennt man wohl Kult, oder? (26.4.)